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Konzert mit dem österreichischen Pianisten Ingolf Wunder.


Foto: Reuters / Kacper Pempel

Kommende Woche erobert das österreichische Kulturforum in Warschau zur Feier seines 50-jährigen Bestehens den öffentlichen Raum. Vom kleinen, oft berstend vollen Veranstaltungszentrum unweit des aus Stalins Zeiten stammenden Wahrzeichens der Stadt, des Kulturpalasts, ausgehend, werden österreichische Acts wie die Band Dunkelbunt und der Welt-Musiker Matthias Loibner den Grzybowski-Platz bespielen. Die Stadt Warschau stellt dort extra eine Bühne auf, vor der tausende Besucher erwartet werden.

Für Martin Meisel, den Leiter des Kulturforums, ist das ein Zeichen andauernder Wertschätzung für die sanfte Diplomatie Österreichs, die in Warschau 1965 eines der ersten "Fenster in den Westen" geöffnet hat. Hier gingen polnische Dissidenten wie der kürzlich verstorbene Wladyslaw Bartoszewski und Literaten wie Zbigniew Herbert aus und ein. So manches Manuskript wurde damals in den Westen geschmuggelt, Autoren wie Stanislaw Lem ein Österreich-Visum verschafft. Das alles unter den Augen des kommunistischen Geheimdienstes, der den Diplomaten - wie man aus nun entdeckten Dokumenten weiß - nie ein Fehlverhalten nachweisen konnte.

Dialog auf Augenhöhe

Inzwischen sei das Forum eine "Plattform für den Dialog auf Augenhöhe" geworden, auf der Experten beider Seiten ohne Besserwisserei gesellschaftspolitische Themen wie die Integration von Zuwanderern oder in Polen hochumstrittene Genderfragen diskutieren.

Dazu kommen künstlerische Events aller Sparten. Heuer widmete die Warschauer Philharmonie ein Konzert mit dem österreichischen Pianisten Ingolf Wunder dem Jubiläum des Forums. Ein österreichisch-polnisches Saxofontrio trat mit speziell komponierten Werken aus beiden Ländern auf. Vor kurzem gab es eine szenische Lesung der Schutzbefohlenen von Elfriede Jelinek.

Bildende Kunst wird im Forum selbst, aber auch in Kooperation mit polnischen Galerien gezeigt, die unter dem hippen Slogan "Warschau, das neue Berlin" einen Aufschwung erleben. Einzelausstellungen gab es von Erwin Wurm und von Anna Jermolaewa. Aus Innsbruck nach Warschau kam Anemona Crisan, die in Rumänien geboren worden ist. "Lebt und arbeitet in Österreich - das ist für uns ausschlaggebend", sagt Kulturdiplomat Meisel, der versichert, dass man europäisch und keineswegs nationalistisch auftreten wolle.

Treffpunkt für Übersetzer

Im Haus kämen regelmäßig einige der besten Übersetzer zusammen, um neue Projekte zu besprechen, erzählt die langjährige Forum-Mitarbeiterin und Literaturwissenschafterin Agnieszka Borkiewicz. Daraus entstand beispielsweise ein fast 500 Seiten dicker Ilse-Aichinger-Reader in polnischer Sprache. Veranstaltungen gibt es zu Ingeborg Bachmann ebenso wie zu Judith W. Taschner, deren Roman Die Deutschlehrerin soeben auf Polnisch herausgekommen ist.

Das Kulturforum in der Warschauer Prózna-Straße liegt am Rand des ehemaligen jüdischen Ghettos, ein jiddisches Theater befindet sich gleich um die Ecke. Seit Jahren ist das Forum in dessen Aktivitäten, wie etwa das nach dem Nobelpreisträger Isaac Bashevis Singer benannte Singer-Kulturfestival eingebunden.

Das ganze Jahr über haben auch Menschenrechtsgruppen im Forum ihren Treffpunkt, etwa vor der alljährlichen Gay-Pride-Parade.

Ganz ohne kulturdiplomatische Unterstützung begeistern sich viele Polen für Elfriede Jelinek und vor allem für Thomas Bernhard. Der Grund liege in deren "radikaler Sprache", meint Borkiewicz. Sie nötige den Polen, die ihr eigenes Land selbstkritisch betrachten, große Bewunderung ab. (Erhard Stackl, 19.5.2015)