Zucker und Fett sind Geschmacksträger. Nicht zuletzt deshalb erfreuen sie sich in der Lebensmittelindustrie besonderer Beleibtheit: - Etwa um Convenience Food schmackhafter zu machen. Auch die Laientheorie, wonach ungesundes Essen besser schmeckt als gesundes, dürfte auf die geschmacksverstärkenden Eigenschaften der beiden ernährungsphysiologischen Übeltäter zurückzuführen sein.

Daran konnten bislang auch diverse Präventionskampagnen – angefangen von der Propagierung der Ernährungspyramide bis hin zu Fett- und Zuckersteuer – nichts ändern. Tatsache ist: Die Anzahl der Übergewichtigen und von Adipositas betroffenen Menschen nimmt weltweit zu. So warnte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kürzlich vor einer "Übergewichts-Krise enormer Ausmaße".

Um das Problem zu lösen, schlagen Forscher einen ganzheitlichen Ansatz vor. Anders als normativ-paternalistische Ansätze – die darauf abzielen, dass bei der Kaufentscheidung hauptsächlich die Gesundheitswirkung eines Produktes im Vordergrund steht – gelte es primär den tiefliegenden Zielkonflikt aufzulösen.

Schwachpunkt von Kampagnen

Diese Strategieempfehlung basiert auf den Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung der Christian-Albrechts-Universität in Kiel (CAU): "Wir konnten nachweisen, dass mit einem höheren Gesundheitsbewusstsein auch eine geringere Überzeugung einhergeht, dass gesunde Lebensmittel per se geschmacklich schlechter abschneiden als eher ungesunde Produkte", erklärt Robert Mai, Erstautor der Studie.

Ein weiteres Ergebnis: Durch gesteigertes Gesundheitsbewusstsein lassen sich Konsumenten bei ihren Kaufentscheidungen weniger von stereotypen Geschmacksassoziationen leiten.

Zusätzlich deckt die Studie aber auch einen erheblichen Schwachpunkt von Präventionskampagnen auf, die primär auf die Stärkung des Gesundheitsbewusstseins abzielen: "Mithilfe eines computergestützten Reaktionszeitexperimentes konnten wir zeigen, dass lediglich rationale und bewusst gesteuerte Entscheidungsprozesse durch derlei Maßnahmen beeinflusst werden", erläutert Co-Autor Stefan Hoffmann.

Nur Gesundheitswahrnehmungen rational beeinflussbar

Allerdings spiele sich der Konflikt zwischen Gesundheitswirkung und Geschmack von Produkten auf einer impliziten Ebene ab: "Das heißt, der Einfluss automatisiert aktivierter Geschmacksassoziationen lässt sich auch durch ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein nicht verändern", ergänzt Hoffmann.

Die Autoren konnten in einem weiteren Experiment zeigen, dass lediglich Gesundheitswahrnehmungen rational beeinflusst werden können, nicht jedoch Geschmackseinschätzungen, die implizit ablaufen. Demnach empfanden Probandinnen und Probanden unabhängig vom Gesundheitsbewusstsein fett- und zuckerreduzierte Produkte als weniger geschmackvoll.

Produzierende Unternehmen sollten sich daher darauf konzentrieren, etwa gesündere Produktvarianten zu entwickeln, die ähnlich attraktiv in Preis, Verpackung, etc. sind, wie konventionelle oder weniger gesunde Varianten.

"Dies", so die Forscher, "wäre aussichtsreicher, als das Unterdrücken verborgener Wünsche. Denn schon seit dem Apfel und der Schlange ist bekannt, dass Verbotenes für Menschen attraktiv ist." (gueb, 19.5.2015)