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Auf der griechischen Insel Kos weist ein Mann ein Flüchtlingsboot ein, die EU-Staaten wollen das Übersetzen von Schiffen aus Libyen stoppen.

Foto: EPA / Yannis Kolesidis

Die EU will mit einem Militäreinsatz gegen Schlepperboote die Zahl der Flüchtlingstoten im Mittelmeer verringern – beim Treffen der Verteidigungs- und Außenminister in Brüssel wurde am Montag trotz Bedenken einiger EU-Staaten ein entsprechender Grundsatzbeschluss gefasst. Die Aktion mit dem Namen Eunafor soll die EU-Grenzschutzaktion Triton ergänzen.

Nach dem Grundsatzbeschluss kann die EU nun mit der konkreten Planung für den Einsatz beginnen. Bereits im Juni soll ein EU-Gipfel den offiziellen Startschuss für die Aktion geben. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte zuletzt den Einsatz europäischer Soldaten in Libyen ausgeschlossen. Dass der UN-Sicherheitsrat ein Sondermandat verleiht, gilt allerdings alles andere als fix. Laut Mogherini soll es bis zum nächsten EU-Außenministertreffen am 22. Juni vorliegen.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) bezeichnete es als "notwendig", dass die Europäische Union in der Bekämpfung der Schlepper "nicht zusieht, sondern aktiv wird", sagte Kurz am Montag in Brüssel.

Brennpunkt Libyen

Mogherini steht vor der größten und schwierigsten Aufgabe ihrer noch kurzen Karriere. Die 41-jährige Italienerin, die nur wenige Monate Außenministerin ihres Landes gewesen war, als sie im November 2014 als Hohe Repräsentantin der gemeinsamen EU-Außenpolitik antrat, soll schaffen, woran die Union seit Jahren notorisch gescheitert ist: die Umstände in der Flüchtlings- und Migrationspolitik so zu gestalten, dass der Tod tausender Menschen im Mittelmeer verhindert wird, Schlepperbanden aktiv bekämpft werden. Brennpunkt ist Libyen.

Montagabend gaben die Außen- und Verteidigungsminister grundsätzlich grünes Licht für eine Militärmission im Mittelmeer. Unter dem Namen Eunafor soll sie die EU-Grenzschutzaktion Triton ergänzen. Zugleich soll aber auch ein neuer Anlauf genommen werden, um die wirtschaftliche Aufbauhilfe in den Flucht- und Transitstaaten zu steigern, damit der Strom der Menschen nach Europa kleiner wird; um neue Möglichkeiten zu eröffnen, mehr Kriegsflüchtlinge geordnet aus Syrien oder Irak in die Union zu bringen und unter den EU-Staaten aufzuteilen.

Es ist eine fast unlösbare Aufgabe, die die Staats- und Regierungschefs Mitte April in Auftrag gaben, als innerhalb einer Woche fast 1300 Bootsflüchtlinge vor Lampedusa bei nur zwei Schiffsunglücken ertranken. Quer durch alle politischen Lager und Länder ist das Maßnahmenpaket umstritten.

Kritiker sehen darin den Versuch, sich vor Flüchtlingen noch mehr abzuschotten als bisher. Manche Regierungen, wie die britische oder ungarische, verlangen genau das. Der Auftrag involviert natürlich nicht nur das Team Mogherinis, die auch Vizepräsidentin der EU-Kommission ist. Die Außen-, Innen- und Verteidigungsminister der Staaten, mehrere EU-Kommissare und Präsident Jean-Claude Juncker sind teilzuständig. Die Mittel für die (zivile) Grenzschutzbehörde Frontex und deren Triton-Mission vor Libyen wurden verdreifacht, um die Seerettung zu verstärken.

Aber bei Mogherini laufen die Fäden für die heikelsten Dinge zusammen, seit klar ist, dass die EU ihre Aktion im Mittelmeer auch militärisch abstützen wird.

Bedenken Österreichs

Auch wenn einzelne Staaten wie Deutschland, Schweden oder Österreich ihre Bedenken gegen die vorgesehene Zerstörung von Schlepperbooten durch Spezialeinheiten vorbrachten und auf ein UN-Mandat bestanden, stellte niemand das Konzept als solches infrage. Italienische, britische, deutsche Kriegsschiffe kreuzen längst zwischen Italien und Libyen.

Mogherini zeigte sich daher optimistisch, dass es mit der Entscheidung im Rat leichter werde, im UN-Sicherheitsrat eine Resolution gemäß Artikel 7 der UN-Charta zu erreichen, die militärische Mittel erlaubt, wenn humanitäre Katastrophen verhindert werden. Sie habe dazu bei Gesprächen "keinen größeren Widerstand" gesehen, erklärte die Außenbeauftragte, auch Russland könnte akzeptieren. Stoltenberg bot die Hilfe der Nato an. Verteidigungsminister Gerald Klug ließ offen, ob sich die Regierung in Wien aktiv mit ein paar Soldaten beteiligt.

Aber so weit ist man noch lange nicht. Nach einem Mehrstufenplan sollen erst einmal die Planungen abgeschlossen und eine Einsatzzentrale (in Rom) eingerichtet werden. Die Militäraktion wird sich zunächst auf Unterstützung der Küstenwachen auf offener See konzentrieren.

Riskant würde es erst ab der dritten Stufe, wenn Einsätze in libyschen Hoheitsgewässern bzw. sogar in Häfen erfolgen. Dazu soll es beim EU-Gipfel im Juni einen Beschluss geben. Experten warnen vor Gefahren für die Soldaten, weil in Schlepperei involvierte Islamisten gut bewaffnet seien. Auch könnten Flüchtlinge als Schutzschilde verwendet werden. Ein irrtümlicher Militärschlag gegen Flüchtlinge – für Mogherini ein Albtraum. (Thomas Mayer aus Brüssel, 19.5.2015)