Andreas Becks Schlussproduktion nach acht Jahren Schauspielhaus: "Edward II. Die Liebe bin ich" von Ewald Palmetshofer. Das freimütige Liebesleben des englischen Königs entfacht bittere Machtkämpfe.

Foto: ALEXI PELEKANOS

Chef des größten Schweizer Dreispartenhauses: Andreas Beck.

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Wien - Andreas Beck, der scheidende Schauspielhausintendant, nimmt schon jetzt Kurs auf Basel. Bevor er mit einem Großteil seines Ensembles im Herbst an den Rhein übersiedelt, hinterlässt der leidenschaftliche Strippenzieher dem Wiener (Festwochen-)Publikum noch eine Koproduktion. Ewald Palmetshofer, Becks erfolgreichster Hausautor, hat Christopher Marlowes Historiendrama Edward II. neu gedichtet. Entstanden ist das Untergangsporträt eines sich in seinen sexuellen Begehrlichkeiten hemmungslos exponierenden Staatsoberhauptes.

Die Koproduktion von Wiener Festwochen, Theater Basel und Schauspielhaus Wien feiert in der Regie Nora Schlockers am 26. Mai Uraufführung. Die Arbeit bildet den Schlusspunkt einer experimentierfreudigen, produktiven Theaterära, die den Blick auf das zeitgenössische Dramenschaffen scharfstellte. Eine Rückschau Andreas Becks in Stichworten:

Mittelbühne - "Diesen Begriff habe ich erst kennengelernt, als ich 1991 erstmals nach Wien kam. Ich denke, der ist österreichisch. Er bezeichnet eine Stelle zwischen Offtheater und Broadway, zwischen den Jollen und den großen Tankern. Irgendwann hab ich das Label dann zu nutzen gewusst."

Musiktheater - "Ich sah nach einer gewissen Zeit, dass gerade in der Neuen Musik eine Herausforderung für zeitgenössische Dramentexte liegt. Also neuer Text kombiniert mit Neuer Musik. Und jetzt fuchse ich mich wieder neu in die Materie hinein, da ich am Theater Basel ja auch ein Musiktheaterprogramm verantworte. Musik kann etwas, das das Sprechtheater nicht kann. Sie reicht in eine andere Dimension, hinein in die Transzendenz."

Palmetshofer, Habermehl, Hilling - "Alle drei super. Alle drei Autor/-innen waren stark stilbildend am Schauspielhaus. Da gehören mindestens noch Kevin Rittberger und Thomas Arzt dazu."

"Vertrauen ist gut, Probenbesuche sind besser" (Beck-Zitat aus einem STANDARD-Interview 2011, Anm.) "So halte ich es immer noch, würde aber präzisieren: Ich vertraue total, weil ich die ausgewählten Künstler ja vorher gut prüfe. Wenn die Arbeit läuft, kontrolliere ich eigentlich nicht, sondern möchte nur wissen, auf welcher Diskussionsebene wir uns befinden. Da reichen oft fünf, acht Minuten, um zu erkennen, welche Temperatur die Produktion hat."

Ballett - (Andreas Beck verantwortet am Theater Basel, dem größten Dreispartenhaus der Schweiz, auch den Bereich Ballett mit, Anm.) "Mich haben immer Choreografen beeindruckt, die vom klassischen Ballett kamen, William Forsythe etwa. Meine ersten Erfahrungen mit Tanz und Ballett machte ich bei ihm in Frankfurt. Der Begriff ,Ballett' ist schwierig. Es ist wie ein Blick zurück. Ich war vor kurzem im Mariinski-Theater in St. Petersburg und habe dort ein Handlungsballett gesehen, wie man es anderswo kaum noch findet, Schwanensee mit 90 Tänzerinnen und Tänzern. Wer kann sich das heute noch leisten?! Da blickt man auf die Bühne wie auf ein Gemälde. Es ist schön, aber wichtiger ist mir: Was erzählt sich mir heute?"

Österreichische Sprachfärbung - "Die mag ich ja. Wenn man eine ,Zwangsräumung' in das schöne Wort ,Delogierung' kleidet, dann ist das doch ziemlich raffiniert. Es gibt ja viele dialektale Ausformungen des Schriftdeutschen. Manche von ihnen sind dramatischer als andere. Wenn man auf der Bühne diese Dialekte hört, ist das schon wieder fast Musik, weil man zu vielen von ihnen einen emotionalen Zugang hat. Also ich mag das Österreichische - bis auf die vielen Fugen-s wie ,Gepäcksfach' oder ,Geschenksidee'."

Auslastung 47,9 Prozent - (Schauspiel am Theater Basel 2012, Anm.) "Es hat sich mittlerweile wieder gesteigert. Aber 47,9 Prozent Auslastung sind ein Problem, das sehe ich auch so. Es gibt einfach viele Theater in der Schweiz, die als erfolgreich gelten und sich dennoch nicht über Auslastungszahlen österreichischer Couleur freuen können. Es gilt für mich nun nochmal herauszufinden, was der/die Schweizer/in von seinem/ihrem Theater erwartet."

Bünzli - "Das Wort sagt mir was, aber ich weiß nicht, was. (Schweizer Wort für Spießbürger, Anm.) Also Basel ist eine Musikstadt, sie hat eine große Tradition. Und da gibt es diplomatisch gesagt unterschiedliche Gewichtungen, der eine will eine aufwendige Inszenierung sehen; das interessiert andere wieder gar nicht, dem geht es nur um die Gesangsqualität; und der Dritte will es nicht unbedingt gut gesungen haben, sondern genauso, wie er es eben kennt."

Best of Schauspielhaus - "Definitiv zu meinen Top Ten gehört Iwan Wyrypajews KaraokeBox aus der Serie "Die X Gebote". Da zähle ich auch Johnny Breitwieser dazu oder Schwarzes Tier Traurigkeit, auch hamlet ist tot - keine schwerkraft. Ich mag auch den Seidenen Schuh sehr, auch Kassandra oder die Welt als Ende der Vorstellung von Kevin Rittberger. Dieses Stück erzählt von afrikanischen Flüchtlingen, es war damals schon, 2010, ein Stück zur Stunde." (Margarete Affenzeller, 18.5.2015)