Wien/Chicago (Illinois) - Eine fünf Jahre dauernde antihormonelle Behandlung schützt Frauen mit östrogenabhängigem Brustkrebs vor Rückfällen. Der Preis dafür kann Osteoporose (Knochenschwund) sein. Österreichs Studiengruppe für Brust- und Darmkrebs (ABCSG) hat jetzt eine mögliche Gegenstrategie identifizieren können.

Die Ergebnisse der ABCSG 18-Studie, an der als Forscher Hunderte Ärzte in 65 Behandlungszentren in Österreich und 3.425 Patientinnen mit hormonabhängigem Brustkrebs nach der Menopause teilgenommen haben, werden im Detail beim Jahreskongress der Amerikanischen Onkologengesellschaft (ASCO) präsentiert. "Es handelt sich um die bisher größte Brustkrebsstudie Österreichs", berichtet Michael Gnant, Präsident der Austrian Breast & Cancer Study Group (ABCSG) und Vorstand der chirurgischen Universitätsklinik am Wiener AKH.

Therapiedauer: 5 Jahre

Dem Ansatzpunkt der neuen wissenschaftlichen Untersuchung vorausgegangen ist eine lange wissenschaftliche Arbeit des größten österreichischen medizinischen Forschungsnetzwerkes zu Brustkrebserkrankungen, welche vom Wachstumsstimulus der weiblichen Geschlechtshormone abhängig sind. Das trifft auf rund 70 Prozent der Mammakarzinome zu. So konnte bei bestimmten Patientinnen bereits vor Jahren eine Behandlung mit antihormonellen Substanzen als Alternative zur deutlich nebenwirkungsreicheren Chemotherapie etabliert werden.

"Die Standardtherapie für hormonabhängigen Brustkrebs nach der Menopause ist eine antihormonelle Behandlung mit sogenannten Aromatasehemmern nach der Operation. Man strebt eine fünf Jahre dauernde Therapie an", sagt Gnant. Aromatasehemmer blockieren die körpereigene Östrogenproduktion bei den Frauen. Dadurch entfällt der Wachstumsstimulus für zurückgebliebene Krebszellen, Rückfälle (Rezidive) treten deutlich seltener auf.

Problem: Osteoporose

Doch es gibt ein Problem: Die antihormonelle Behandlung fördert das Entstehen von krankhaftem Knochenschwund (Osteoporose) mit nachfolgenden Frakturen (Oberschenkelhalsbrüche, Wirbelkörpereinbrüche, Armbrüche nach Stürzen). "Das ist bei rund 15 Prozent der postmenopausalen Brustkrebspatientinnen fünf Jahre nach einer Behandlung mit Aromatasehemmern der Fall", erläutert Gnant.

Die Wissenschafter suchten deshalb nach einer wirksamen und nebenwirkungsarmen Gegenstrategie. 3.425 solcher Mammakarzinompatientinnen wurden deshalb nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt: Die Hälfte erhielt zwei Mal jährlich unter die Haut je 60 Milligramm des monoklonalen Antikörpers Denosumab injiziert, der zur Behandlung der Osteoporose eingesetzt wird. Die andere Hälfte der Patientinnen bekam ein Placebo.

50 Prozent weniger Knochenfrakturen

Die Studie lief zwischen Ende 2006 und 2013. Das Ergebnis: Bei den Frauen, die den monoklonalen Antikörper erhalten hatten, sank die Häufigkeit von Knochenfrakturen um insgesamt 50 Prozent. In der Gruppe der Frauen mit Denosumab-Therapie gab es 92 solcher Vorfälle, in der Vergleichsgruppe ohne diese Behandlung hingegen 176.

Der Effekt war bei den 1.872 Patientinnen, die zu Beginn noch keine Osteoporose aufgewiesen hatten, mit minus 56 Prozent sehr hoch. Bei den 1.548 Frauen, die bereits Anzeichen eines Knochenschwundes aufwiesen, war die Wirkung mit minus 43 Prozent bei der Frakturhäufigkeit im Vergleich zu den Frauen in der Placebo-Gruppe ebenfalls gut. Zusätzlich erhöhte sich bei der Experiemntalgruppe die Knochendichte in der Wirbelsäule um zehn Prozent, an der Hüfte um acht und im Oberschenkelhals um sechs Prozent.

"Wir können damit den Patientinnen ohne zusätzliche Nebenwirkungen eine schwerwiegende Langzeitfolge der Krebstherapie ersparen. Es ist ein bahnbrechendes Ergebnis, die Eindeutigkeit hat sogar uns überrascht. Unsere Daten müssen jedenfalls Einfluss auf die tägliche Praxis in der Behandlung dieser Brustkrebspatientinnen in der Zukunft haben", meint Michael Gnant.

Möglicherweise Krebs-hemmender Effekt

Bei Denosumab handelt es sich um humane monklonale Antikörper, die gezielt ein Protein, den RANK-Liganden (RANKL), hemmen. Der Ligand, der am RANK-Rezeptor bindet, steuert die Ausreifung und Aktivierung von Knochenfresszellen (Osteoklasten). Die Hemmung von RANKL mit dem monoklonalen Antikörper gilt seit einigen Jahren als wirkungsvollste Therapie bei krankhaftem Knochenschwund.

Das Medikament wird zunehmend zur Verhinderung von Knochenmetastasen bei Krebs eingesetzt. Darüber hinaus gibt es mehrere Hinweise, dass RANKL auch direkt etwas mit der Entstehung von Mammakarzinomen zu tun hat.

Die ABCSG hat in der Vergangenheit zusätzlich nachgewiesen, dass andere Osteoporosemedikamente (Bisphosphonate) bei bestimmten Brustkrebspatientinnen (hormonabhängige Erkrankung vor der Menopause und antihormonelle Behandlung) Rückfälle verhindern können. Die Daten für einen solchen Nachweis stehen für Denosumab bei Brustkrebspatientinnen noch aus. (APA, 18.5.2015)