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Zurzeit viel in Wien: Dirigent Sir Simon Rattle.

Foto: apa

Wien - Der Mai 2015 ist für Sir Simon Rattle nicht nur Wonnemonat, sondern auch Wien-Monat. Neben zwei Ring-Serien an der Staatsoper musiziert der Chefdirigent der Berliner Philharmoniker auch, wenn er schon mal da ist, mit den Philharmonischen Kollegen von hierzustadt.

Im Opernhaus am Ring ist Rattle ja nur selten zu Gast: 2005 dirigierte der Brite Parsifal, 2009 Tristan und Isolde. Beim Rheingold, dem wässrigen Beginn des Wagner'schen Weltgedichts, will sich erst einmal kaum Klangzauber einstellen. Im Gegenteil: Nie ist einem dieser Es-Dur-Urzustand so lang vorgekommen. Die Rheintöchter Woglinde, Wellgunde und Flosshilde (Ileana Tonca, Ulrike Helzel, Juliette Mars) hüten das Gold mit stimmlichem Glanz. Giftzwerg Alberich klaut es ihnen trotzdem: Richard Paul Fink singt ihn typisch männlich, mehr um Kraft als um Schönheit bemüht.

Divaeske Göttergattin

Ab der zweiten Szene gelingt Rattle dann aber vieles. In der Partitur nehmen die Dinge an Fahrt auf, der 60-Jährige führt enorm dynamisch, mit federnder Energie. Wotan und Fricka keppeln ein wenig. Kein Wunder, so verschieden, wie sie sind: Michaela Schuster ist eine beglückend divaeske Göttergattin, toll ihr Spiel, prägnant auch ihr Sopran. Tomas Koniecznys Wotan ist hingegen ganz noble Kraft und Männlichkeit. Leise warnt das gedämpfte Blech. Der Auftritt der Riesen Fasolt und Fafner (fast zu schön singend: Peter Rose und Mikhail Petrenko) wird vom Orchester mit rabenschwarzer Gewalt begleitet. Freia (Olga Bezsmertna), Donner (Boaz Daniel) und Froh (Jason Bridges): gut, aber nicht auffällig.

Irgendwann geht, hüpft, intrigiert dann der Loge von Herbert Lippert herum, mit rastloser Intensität und diebischer Spielfreude. Bei langen lyrischen Linien überzeugt der Tenor weniger, und ab dem eingestrichenen fis wird's im Piano problematisch; aber im Agitato, in den gesprächsnahen Passagen ist Lippert wonnigliche Weltklasse mit seiner federnden, geschmeidigen Art. Schlicht wundervoll Herwig Pecoraros trompetenheller Mime. Und Janina Baechles Erda lieben sowieso alle.

Ihren Auftritt zum Ende begleiten Rattle und das Staatsopernorchester mit behutsamer Zartheit. Packend auch die dritte Szene, geprägt von der motorischen Energie des Nibelungenmotivs. Aber auch Fahlheit, Biss, gewaltige Steigerungen: alles da. Schade nur, dass in jeder leeren Messehalle mehr Stimmung aufkommt als beim Bühnenbild von Rolf Glittenberg (speziell in der 2. und 4. Szene). Begeisterung für alle. (Stefan Ender, 18.5.2015)