Von einem gut disponierten Volksopernorchester unterstützt, zeigte sich das Ensemble von seiner spielfreudigen Seite.

Foto: Volksoper

Wien - Bei jeder Neuproduktion muss sich die Volksoper an den anderen beiden Opernhäusern der Stadt messen lassen. Insbesondere, wenn es sich um ein Werk handelt, das auch Staatsoper oder Theater an der Wien anbieten. Die Möglichkeiten des Hauses mögen zwar keine direkte Konkurrenz mit den Schwesterinstitutionen entstehen lassen, aber ergänzende Lesarten, die anderswo nur schwer denkbar wären, sehr wohl: Wenn der Ensemblegeist auf eine Da-Ponte-Oper trifft, kommt zum Vorschein, was anderswo den Gesetzen des großen Opernapparats geopfert wird.

In der neuen Così fan tutte herrscht Spielfreude von Anfang an, zumal die Inszenierung von Bruno Klimek ihren Ausgang in der Situation einer Theaterprobe nimmt. Despina und Don Alfonso bestimmen die Regeln, nach denen die zwei Liebespaare zu agieren haben, deuten am Bühnenbildmodell auch gleich den explosiven Ausgang des Experiments der Treueprobe an (Bühnenbild: Hermann Feuchter).

Unter diesen Voraussetzungen hemmt die deutsche Sprache kaum den Fluss. Im Gegenteil: Sie macht das Setting glaubhaft, lässt die Darsteller unmerklich in ihre Rollen hineinwachsen, bis sie dann doch zu so etwas wie Opernfiguren geworden sind - allerdings erst im zweiten Akt, in dem nach dem anfänglichen Aktionismus konzentriert gesungen, dabei freilich auch ziemlich statisch herumgestanden wird.

Musikalisch braucht sich vor allem das Volksopernorchester nicht vor anderen Klangkörpern der Stadt zu verstecken. Dirigentin Julia Jones ließ es plastisch und transparent artikulieren und umschiffte klug die akustischen Schwierigkeiten des Hauses, indem sie präsente Momente scharf und konzentriert hervortreten ließ, ansonsten jedoch flexibel und umsichtig die Sänger unterstützte. Nach einer Ouvertüre, in der die orchestrale Gefahrenzone noch nicht gänzlich verlassen worden war, während auf der Bühne bereits die Vorkehrungen für das Folgende getroffen wurden, wirkte das allermeiste, was aus dem Graben drang, nicht nur solide, sondern auch inspiriert.

Steigende Überzeugungskraft

Auch auf der Bühne war teilweise ein deutliches Crescendo musikalischer Überzeugungskraft zu verspüren - was auch damit zu tun haben mag, dass die Sänger anfangs auch als die Schauspieler, die sie darstellten, noch erst in ihre Haut zu finden hatten. Da klang etwa Hausdebütantin Caroline Wenborne (Fiordiligi) noch ein wenig dünn und flackernd, bevor sie ihre beiden großen Arien mit Bravour meisterte.

Ganz ähnlich zu kämpfen hatte Jörg Schneider (Ferrando), der allerdings aus der tenoralen Anstrengung auch Sympathien des Liebenden schlug. Stimmlich weniger auffällig, doch darstellerisch überaus präsent waren Dshamilja Kaiser (Dorabella) und Josef Wagner (Guglielmo), während der Philosoph und die Kammerzofe das ganze Spiel am Köcheln hielten: Mathias Hausmann, der auf das Natürlichste zwischen Sprechgesang und vollem baritonalem Klang wechselte, als kluges Temperamentbündel (Don Alfonso) und die soubrettenhafte Rebecca Nelsen (Despina) mit erdiger Grundierung und treffsicheren Höhen, nicht nur bei ihren eingestreuten quietschenden Lachern.

Das Lachen jedoch blieb dem anfangs so fröhlichen Sextett am Ende buchstäblich im Hals stecken. Klimek zeigte sie nicht nur komödiantisch durcheinandergeschüttelt, sondern vor allem existenziell getroffen. Aus Spiel wird Ernst: Das ist das eigentliche Geschehen in diesem gar nicht so komischen Drama. Hier ist das so deutlich zu spüren, wie das weder manch ambitionierter Meisterinszenierung noch den traditionalistischen Sichtweisen gelingt. (Daniel Ender, 18.5.2015)