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Verstrickt im Netz aus Begehren, Eifersucht und Rache: Anna Radziejewska (als La Malaspina) und Otto Katzameier (als Il Malaspina) in Salvatore Sciarrinos Oper "Luci mie traditrici".

APA/MONIKA RITTERSHAUS

Wien - Wer Nervenquälendes erwartet, dem erscheint auch besonders Stille als ereignishaftes Dröhnen, das womöglich eindringlicher, jedenfalls subtiler quält als jede expressive Dezibelorgie. Und durchzogen von Stille ist Salvatore Sciarrinos Musiktheater Luci mie traditrici. Würde ihre zeitliche Ausdehnung gemessen, kämen beträchtliche Minutenmengen zusammen. Allerdings rühren Pausen wie Stille bei Sciarrino nicht von einem Ideenvakuum her. Sie sind quasi der enigmatische Raum, in dem filigrane Klang- und Geräuschblüten eigenwillig ihre Pracht entfalten.

Den konkreten Werkrahmen gibt zwar ein blutiger Eifersuchtsexzess ab: Hinter ihr, La Malaspina, steckt die Gemahlin des Fürsten Gesualdo. Hinter ihm, Il Malaspina, steckt der Fürst selbst, der ihr und ihrem Seitensprung (hier der Gast) zur Wiederherstellung seiner Ehre eigenhändig einen blutigen Liebestod beschert. Sciarrino jedoch setzt der Brutalität der Geschichte die abstrakte Poesie winziger Bebungen entgegen.

Das Orchester flüstert, raunt, haucht, atmet und seufzt raffiniert entlang der Zwiegespräche als subtil kommentierender Minimalismus. Nur flüchtig ist aggressivere Dynamik zu hören, wie auch nur ganz kurz - zum Schluss hin - seine Eifersuchtsgnaden etwas lauter aus der Rolle fällt.

Im Reich der Bilder

Ansonsten regiert auch im Vokalen Reduktion; Sangeslinien hängen am seidenen Gefühls- und Nervenfaden: Da werden Koloraturen fragmentiert. Und lange Einzeltöne, oft in einem langsamen Crescendo verarbeitet, dekonstruieren sich rezitativisch selbst. Tastend und zögernd auch die Dialoge, es herrscht Wort- wie Sätzestau in den angespannten Seelen. Sprudelt das Angestaute dann aber eruptiv aus ihnen, verlässt es dennoch nie die Regionen des Diskreten. Als würde Sciarrino durch ein Mikroskop blicken lassen, wirken seine Ideen. Sie entführen in einen ganz eigenen musikalischen Mikrokosmos.

Eine unsichere Regie wäre womöglich der Versuchung erlegen, dieser scheinbaren Statik optische, gestische Hektik und deftigen Aufeinaderprall der Figuren entgegenzusetzen. Achim Freyer jedoch trennt die Figuren voneinander, entwickelt eine aus vier Ebenen bestehende surreale Schwebewelt. Die Charaktere wirken gleichermaßen in höfische Rollenzwänge eingeschnürt wie auch als schwankende, absturzgefährdete Gestalten, die ihre Gefühle verbergen.

Die abstrakt-märchenhafte Bilderwelt legt sich auch nicht verspielt-selbstzweckhaft über die Geschichte. Da ist zwar manches routiniert-clownesk auf den Kopf gestellt: Es trägt der versierte Dirigent des konzentriert aufspielenden Klangforums Wien, also Emilio Pomarico, ein Gesicht am Hinterkopf. Freyers Fantasiewelt überdeckt jedoch nie die Spannungen, die sich aus Text und Musik ergeben. Vielmehr choreografiert er die Bewegungen der Figuren sehr bewusst puppenhaft-artifiziell, dennoch aber mit Bedacht auf deren Befindlichkeit.

Sie ist denn auch eingeschweißt in ein eisernes Korsett (hervorragend Anna Radziejewska als La Malaspina); er (profund Otto Katzameier als Il Malaspina) hängt an Seilen, während die anderen Puppen (Kai Wessel als L'Ospite, Simon Jaunin als Il Servo und Esther Lee als Prologstimme) in unterschiedlichen Schwebepositionen verharren.

Nur zu Beginn, da Freyer in seinem Intro Tag aus Nacht ein fast 15 Minuten lang mit Standbildern eine Geschichte vorzuerzählen sucht, gerät es seltsam monoton. Am Ende war das jedoch vergeben oder schlicht vergessen. Applaus für alle. (Ljubiša Tošić, 18.5.2015)