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Marcello Pezzetti (zweiter von links) baut das erste Shoah-Museum Italiens auf.

Archivbild: EPA/Janek Skarzynski

Rom – Sein Leben ist dem Studium der Shoah, der Erinnerung an die Opfer und den Überlebenden gewidmet. Er ist der bekannteste KZ-Experte Italiens und einer der renommiertesten weltweit. Bis vor kurzem war Marcello Pezzetti neben den Mitarbeitern der Gedenkstätte der Einzige, der einen Schlüssel vom ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz besaß.

Vor acht Jahren wurde der 61-Jährige beauftragt, in Rom die Gründung des ersten Shoah-Museums Italiens vorzubereiten. Die Stiftung des Shoah-Museums (Fondazione Museo della Shoa), die er seither leitet, gilt als Anlaufstelle für das Museum selbst. Sie befindet sich im historischen Zentrum Roms auf der Piazza Argentina mit Blick auf die alten römischen Ruinen. Zehn Mitarbeiter sind hier beschäftigt, sechs davon sind Historiker.

Kooperation auch mit österreichischen Forschern

Das Projekt geht auf eine Initiative der Stadt und Provinz Rom, der Region und der jüdischen Gemeinde Italiens zurück. Schon jetzt besitzt die Stiftung die größte Videothek Europas über die Shoah: über 7.000 Videos, "sowohl Dokumentationen als auch Fiktion, alles, was ab dem Jahr 1943 zum Thema herausgegeben wird, gelangt hierher", sagt er. "Die Kooperation mit anderen Instituten, Museen, Experten aus der ganzen Welt ist sehr intensiv", vor allem mit deutschen und österreichischen Forschern und Institutionen wie dem ehemaligen KZ Mauthausen sowie der Uni Wien und der Stadt Klagenfurt.

Die Stiftung besitzt auch eine der umfangreichsten Bibliotheken über die Shoah Europas, die meisten der rund 8.000 Bücher sind auf Deutsch. Es werden auch Ausbildungskurse für Lehrer und pädagogische Initiativen für Schüler organisiert. Es gibt außerdem ein Archiv mit Material, das der Stiftung von Privatpersonen geschenkt wurde.

Pezzetti selbst organisiert nicht nur Besuche nach Auschwitz und in andere ehemalige KZs. Er fungiert auch für Film- oder TV-Produktionen als Berater – wie zum Beispiel bei dem mit einem Oscar ausgezeichneten Film von Roberto Benigni "Das Leben ist schön".

Gedenkdiener aus Österreich

Ein besonderer Beitrag, dem Pezzetti große Bedeutung beimisst, ist jener der österreichischen Gedenkdiener. Bisher waren vier im Einsatz, derzeit leistet Manuel Grander aus Vöcklabruck seinen Dienst. Er ist 18 Jahre alt und seit September bei der Stiftung. "Der Gedenkdienst ermöglicht mir, aktiv zur Aufarbeitung von NS-Verbrechen beizutragen und so unsere Gesellschaft über die Gefahren von Rassismus und Fanatismus in der Vergangenheit als auch Gegenwart aufzuklären", sagt Grander.

Auch Pezzetti ist begeistert über die österreichischen Gedenkdiener: "Sie legen eine unglaubliche Seriosität an den Tag. Sie arbeiten im Bewusstsein, einen Dienst zu leisten. Das heißt, dass dahinter eine Vorbereitung, eine kulturelle Bildung steckt."

Budget von 21 Millionen Euro

Die Bauarbeiten in der Villa Torlonia auf der Via Nomentana sollen demnächst beginnen und das Museum, wenn alles glatt läuft, in drei Jahren eröffnet werden. Vorgesehen ist ein Budget von 21 Millionen Euro. Die jüdische Gemeinde in Italien zählt circa 30.000 Mitglieder, davon knapp 15.000 in Rom.

Während der NS-Diktatur hat es im faschistischen Italien keine Vernichtungslager gegeben. Bis auf einige Internierungslager im Süden und dem KZ von Risiera San Sabba in Triest (dessen Kommandanten die Österreicher Odilo Globocnik und Franz Stangel waren, und wo vor allem politische Häftlinge gefangen waren) hat es in Italien keine KZs, sondern nur Transitlager gegeben. Insgesamt sind rund 9.000 italienische Juden deportiert worden. Fast alle wurden in Auschwitz ermordet. (Flaminia Bussotti aus Rom, 18.5.2015)