Zeltstädte sind - abgesehen von den nahöstlichen Flüchtlingslagern - Resultate von Katastrophen und Wirtschaftskrisen. In den USA mussten in den 1930er-Jahren Hunderttausende wegen der Rezession in Zeltstädten untergebracht werden. Ab Herbst 2007 entwickelte sich dort dasselbe. Als die Immobilienblase platzte und nicht rückzahlbare Kredite zu Zwangsversteigerungen führten, explodierten die Obdachlosenzahlen als Folge der Finanzkrise.

Die sprunghaft ansteigende Zahl von Bootsflüchtlingen aus Afrika ließen Süditalien, die Flüchtlingsströme aus Syrien und Afghanistan Jordanien und die Türkei (1,3 Millionen) fast aus den Nähten platzen. Jetzt werden sie nach Europa weitergereicht, wo man die Menschenrechtsbekenntnisse von Sonntagsreden nur zögerlich einlöst.

Fast überall (u. a. in Österreich, Deutschland und Italien) sind Bürger in den Kommunen bereit, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Hilfsbereitschaft der Menschen und deren Überwindung der Angst vor dem Fremden sind groß genug, um das politische Kalkül der Bürgermeister kaltzustellen. Man stellt sich der Herausforderung - sogar im Konflikt mit den Behörden in der Frage der Arbeitsgenehmigungen. Aber das reicht nicht, um der Explosion Herr zu werden und die massenweise Herbergssuche zu bewältigen.

Komisch, dass man erst jetzt auf die Einrichtung von Zeltstädten gekommen ist. Denn deren Versorgung müsste ja überall wegen der Erfahrung mit den Zeltfesterln zum Know-how des sommerlichen Alltags gehören. Inklusive krimineller "Vorfälle".

Aber das sind halt nicht Zeltstädte für Inländer, die jetzt errichtet wurden, sondern solche für Ausländer. Also etwas total anderes für das Selbstverständnis der Ureinwohner. Sogar das Argument, im Winter seien die Zelte zu kalt, gilt eigentlich nicht. Tausende Frittenbuden und Kaffeehaus-Outlets werden mit Heizkanonen erwärmt.

Zur Unterbringung in solchen Zeltstädten (die bei uns mangels Einwohnerzahl gar keine sind) kommt ein rechtlicher Aspekt - ihre Errichtung auf staatlichem Grund geht die Gemeinden gar nichts an. Wissen und Können von Polizei und Bundesheer bei der täglichen Versorgung sind außerdem Grund genug, für solche Zeltlager zu plädieren.

Unser Heer und unsere Exekutive müssen sich ohnehin auf die Verhältnisse des 21. Jahrhunderts einstellen. Insgesamt. Teile von ihnen haben das im Ausland längst geübt - in Zusammenarbeit mit Caritas, Rotem Kreuz, Diakonie und anderen erfahrenen NGO.

Im Licht dieser Entwicklung sollte auch eine Fehlentscheidung bei der letzten Regierungsbildung korrigiert werden. Sebastian Kurz ist als Außenminister zu beschäftigt, als dass er für Integration von Zuwanderern mehr tun könnte als Auslagenkosmetik.

Johanna Mikl-Leitner hat sich als Innenministerin - gerade mit der Zeltstadtinitiative - den Herausforderungen professioneller gestellt als ihre Vorgänger. Integration ist nicht dasselbe wie Flüchtlingsbetreuung. Aber das eine folgt dem anderen und gehört daher in eine Hand. (Gerfried Sperl, 17.5.2015)