Da kann man wohl von einem Trend sprechen. Gleich drei Bücher der Spiegel-Bestsellerliste tragen diese Woche Titel in Befehlsform: Reformiert euch!, rät die Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali ihren Glaubensbrüdern und -schwestern (Rang 20). Die Theologin Margot Käßmann hat sich mit dem Sänger Konstantin Wecker zu einem Ächslein des Guten formiert, gemeinsam fordern sie: Entrüstet euch! (Rang 19)

Schließlich schlägt auch der verdiente Schweizer Soziologe, Politiker und Systemkritiker Jean Ziegler, stets empörungsbereit, mit seinem neuen Buch Ändere die Welt! (Rang 13) den populär gewordenen Befehlston an.

Aufforderungstitel (mit und ohne Rufzeichen) hat es immer schon gegeben; unvergessen etwa das Buch Klau mich der Kommunarden Fritz Teufel und Rainer Langhans (1968). Seit allerdings der französische Diplomat Stéphane Hessel 2010 seine Leser aufgefordert hat, sich über die Auswüchse des Kapitalismus zu indignieren (Empört euch!) und damit einen sensationellen Erfolg einfuhr, ist das Genre definitiv im Aufwind.

Es passt auch gut in ein Medienumfeld, in dem die "sozialen Netzwerke" jedermann die Infrastruktur bieten, so lautstark wie möglich um Aufmerksamkeit für seinen jeweiligen Kramuri zu trompeten. Um im allgemeinen Werbelärm überhaupt noch vernommen zu werden, ist ein Rufzeichen das Mindesterfordernis. Und Buchtitel mit nur einem einzigen Rufzeichen, so prophezeit der Krisenkolumnist, sind erst der Anfang. Was demnächst kommen wird, sind Werke wie Entblödet euch!! und Wascht euch!!! und Schleicht's euch!!!!

Das ist nun ein guter Anlass, an einen Klassiker der befehlshaberischen Ware zu erinnern, nämlich an die seit den 1960ern existierenden Lutschbonbons, Lollys und Lachgummis der Marke nimm2. Diese rührend unverblümte Aufforderung des Warenproduzenten an den Konsumenten, gefälligst doppelt so viel zu kaufen, trifft den Geist des auf stetes Wachstum ausgerichteten Turbokapitalismus punktgenau.

Gerade die Österreicher, die mit ihrer Knickerei die Wirtschaft des Landes in Gefahr bringen, sollten sich viel öfter an das Motto "Nimm zwei" halten: im Supermarkt einfach doppelt so viel in den Wagen, zwei Handys statt eines, zwei Autos, zwei Eigentumswohnungen. Das sichert die Binnennachfrage und die Unternehmensgewinne. Und patriotisch ist es noch dazu. (Christoph Winder, 15.5.2015)