Die meisten Menschen empfinden eine tiefe Scheu, in Blüten zu beißen. Ich habe zig Mal Gästen erklärt, dass die Blüten auf ihrem Teller nicht nur nur prächtig, sondern auch köstlich sind und daher mit verspeist werden können und sollen – in drei von vier Fällen vergeblich. Das hat sicher evolutionäre Gründe, ist aber schade, weil Blüten mitunter ganz hervorragend schmecken können.

Löwenzahnblüten haben ein ausgeprägtes Honigaroma mit ganz eigener fruchtig-blumiger Note, Hollerblüten schmecken, nunja, wie Holler, bloß frischer, saurer, spritziger, Kapuzinerkresse-Blüten verbinden auf unnachahmliche Weise süß und scharf. Glücklicherweise gibt es Wege, den Blütenverweigerer zu überzeugen: etwa, indem man das Blütenaroma ohne Blüte serviert. Und weil wenig Aromen so gut aufnimmt wie Milch oder Obers, eignen sich Cremen aller Art hervorragend dafür.

Foto: TObias Müller

Creme Brulee, Creme Karamell oder auch Panna Cotta mit ihrer üpig-verführerischen Konsistenz und ihrem zarten Glanz sind wahrscheinlich meine liebsten klassischen Desserts. Dank Blüten müssen sie nicht immer nur nach Frucht oder Zucker schmecken. In den vergangenen Wochen habe ich vor allem Löwenzahnblüten in Obers versenkt und dann zur Creme gebacken. Das Ergebnis schmeckt meiner Meinung nach süchtig machend gut, vor allem, wenn es noch mit Löwenzahn-Sirup begossen wird.

Wenn der Löwenzahn bei Ihnen noch gelb blüht, greifen Sie zu und probieren Sie es. (Gruß-aus-der-Küche-Gebirgskorrespondent Lukas M. etwa versichert, dass es etwa um den Schneeberg noch jede Menge gelben Löwenzahn gibt). Weil er in Wien und im Burgenland aber bereits großteils in der weißen Phase ist, gibt es hier nun Hollerblütencreme. Das folgende Cremerezept ist eine Basis, die sich beliebig aromatisieren lässt.

Löwenzahn-, Hollerblüten- oder was auch immer -Cremetopf

Eine klassische Creme ist eine Ei-Milch-Mischung, die erhitzt wird und dank Ei gerinnt. Generell reicht ein großes Ei (etwa 60 Gramm), um 180 Milliliter Flüssigkeit stocken zu lassen. Die Konsistenz wird umso üppiger, je fetter das Ausgangsprodukt ist. Der verehrte Thomas Keller setzt für seine Cremetöpfe daher auf Obers und Eigelb statt auf Milch und ganze Eier - das sorgt für ganz besonders cremige Gaumenschmeichler. Obers nimmt Geschmäcker zudem noch besser an als Milch, weil es deutlich mehr Fett enthält. Ich folge hier daher Herrn Kellers Beispiel.

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Pflücken Sie an einem schönen Sonnentag jede Menge der gewünschten Blüten. Waschen Sie sie nicht, weil sie sonst ihr Aroma verlieren. Packen Sie sie in einen Topf und bedecken Sie sie mit zwei Teilen Obers und einem Teil Milch (Etwa: 500 ml Obers, 250 ml Milch). Zuckern Sie das ganze nach Lust und Laune, aber eher üppig - die Creme wird kalt gegessen und Kaltes schmeckt generell weniger süß als Heißes. Bringen Sie die Mischung auf mittlerer Flamme zum Kochen, lassen Sie sie eine Minute brodeln und drehen Sie die Hitze ab. Sobald die Flüssigkeit abgekühlt ist, packen Sie sie samt Blüten in den Kühlschrank und lassen alles über Nacht ziehen.

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Sieben Sie die Blüten ab und geben Sie pro 120 ml Milch ein Eigelb in Ihre Flüssigkeit. Ich gebe zwecks Auflockerung noch meist auf fünf Eigelb ein Eiweiß dazu. Schlagen Sie das ganze ordentlich mit dem Schneebesen, bis alles gut vermischt ist und gießen Sie es erneut durch ein Sieb, um etwaige Ei-Flankerl abzufangen.

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Anschließend füllen Sie die Flüssigkeit in kleine Cremeformen oder Gläser.

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Heizen Sie das Backrohr auf 180 Grad vor und bringen Sie ordentlich Wasser zum Kochen. Stellen Sie die Formen mit der Creme in einen Topf oder eine große Pfanne und gießen Sie das heiße Wasser rundherum, sodass die Formen mindestens bis zur Hälfte im heißen Wasser stehen. Lassen Sie diesen Schritt nicht aus. Er sorgt dafür, dass Ihre Creme gleichmäßig gart und nicht überhitzt. Letzteres kann dazu führen, dass das Ei ausflockt und sich unappetitliche Brocken bilden.

Bedecken Sie die Pfanne/den Topf mit Alufolie (Cremen garen im Dampf, gut für eine glatte, schöne Oberfläche) und schieben das Ganze für 30 bis 40 Minuten ins Rohr, je nach Größe Ihrer Portionen.

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Die Creme ist fertig, wenn sie gestockt ist, aber noch etwas wabert und Wellen wirft, wenn das Glas erschüttert wird. Nehmen Sie sie aus dem Rohr und aus dem heißen Wasserbad und lassen Sie sie idealerweise komplett auskühlen, bevor Sie sie genießen. (Tobias Müller, 17.5.2015)

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