"Mad Max: Fury Road": Diktator Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) ist nicht nur wegen der Atemmaske sauer, die er als Strahlenopfer tragen muss. Ihm wurde auch sein Harem entführt.

Foto: Warner Bros.

Wien - Die Apokalypse ist schon etwas länger her. Man merkt das daran, dass ein etwas blutleerer, kahlköpfiger junger Krieger vorschlägt, eine Seilwinde zum Herausziehen eines Monstertrucks aus dem durch Strahlenregen entstandenen Morast an diesem "Ding" da zu befestigen, das in der Mitte des Films in der landschaftsfreien Gegend herumsteht. Das "Ding" ist komplett verdorrt und hat sich vor dem Ende der Welt "Baum" genannt.

Zu diesem Zeitpunkt ist der mitreisende Max Rockatansky alias Mad Max (Tom Hardy) schon mehrmals übelst verdroschen worden. Sein Auto wurde von glatzköpfigen Fieslingen wie dem eben erwähnten Nux (Nicholas Hoult) zermerschert. Max diente in der "Zitadelle" des brutalen Ungustls Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) als Ende der Nahrungskette. In der Wüste, die die Erde in einer Zukunft ohne Zukunft überzieht, sind Nahrungsmittel knapp.

Neben erst so richtig aggressiv machendem Chrome-Spray aus dem Autozubehör-Shop ernähren sich unsere Zombiekrieger vom Blut, das man sich mittels Aderlass bei in Käfigen gehaltener Jagdbeute wie Mad Max oder Leuten holt, die Immortan Joe schief angeschaut haben. Die Krieger trinken auch gern Muttermilch, die der Diktator in seiner Festung dicken Frauen abpumpen lässt. Der kleine Mann in der Wüste wird einmal am Tag mit ein wenig Wasser aus unterirdischen Zisternen abgespeist. Eine Diktatur ohne Volk würde irgendwie keinen Spaß machen.

Ein Film wie Metallica in gut

Anschließend fungierte Mad Max als gefesselte Kühlerfigur sowie als Durstlöscher während der Jagd durch die Wüste auf die dem Diktator ausgebüchste einarmige Banditin Furiosa (Charlize Theron). Diese hat Immortan Joe seine fünf schmollmündigen H & M-Models geraubt, die ihm gesunde, unverstrahlte Kinder gebären sollen. Es geht quer durch die Wüste ins sagenumwobene "Greenland". Die Models haben im Kinosaal natürlich alle Lacher auf ihrer Seite.

Ein unglaublich unpackbarer Wirbelsturm, aggressive Motocross-Bergvölker in mottenzerfressenen Fleckerlteppichen und selbstgestrickten Irokesenhauben kommen auch vor.

Der Film ist vor und nach der Mitte und eigentlich auch dazwischen unglaublich laut. Mad Max: Fury Road startet mit einer Verfolgungsjagd. Diese geht über in eine Verfolgungsjagd. Darauf folgen ein Fluchtversuch des Titelhelden sowie dieses Mal eine jede Vorstellung sprengende Verfolgungsjagd auf die ebenfalls flüchtende Furiosa. Erst dann ist der Film aus. Dazu böllert zu dieser in 3-D konzipierten Thrash-Metal-Raserei im Geschwindigkeitsbereich des sofortigen Führerscheinentzugs tatsächlich ohne Unterlass schwerer, aggressiver Thrash Metal. Metallica vor 30 Jahren in gut. Ra-ta-ta-tat. Ratat. Rata-rata-rat. Hurrga, hurg!!! Uaaaarrrrghhh!!!

Achtung, jetzt fetzt es schon wieder einen Motorblock, eine Autotür oder einen Zombiekrieger aus dem Film heraus in den Saal! Nicht nacheinander, gleichzeitig. Schließlich hat man nur 140 Minuten Zeit, um Mad Max und diverse andere Soziopathen auf einem Todesrennen ins Gelobte Land kennenzulernen.

Mad Max hätte eigentlich am liebsten seine Ruhe. Eigentlich findet er als traumatisierter Misanthrop in der menschenleeren Wüste sein Auslangen mit bedeutungsvollem Geradeausschauen und dem Verzehr zweiköpfiger Eidechsen. Aber nachdem der Wind kurz nachdenklich geblasen und der Zuschauer erleichtert durchgeatmet hat, zählt der Schlagzeuger schon wieder ein. Es setzt mit der auch als Flammenwerfer eingesetzten Gitarre auf einem der Kampfwägen einen Satz warme Ohren. Oh, schon wieder wurde einem Kämpfer mit der Flex die Rübe abgeschnitten!

Mad Max: Fury Road ist pures, dreckiges Körperkino. Es macht wach. Gleichzeitig erschlägt es einen. Allerdings leidet das Vorderhirn unter diesem Blut- und Geschwindigkeitsrausch, in dem für Dialoge und ein umständliches Drehbuch kein Platz bleibt, dafür aber für jede Menge Zitate aus den alten drei Mad-Max-Teilen.

30 Jahren nach dem letzten, 1985 noch mit Mel Gibson bestückten dritten Teil der von George Miller 1979 gestarteten Mad-Max-Reihe ist eines nicht weniger geworden: die furiose Raserei des heute 70-jährigen Regisseurs und Autors. Miller ist einer der letzten großen Irren des Fantasy-Kinos. Auch Ein Schweinchen namens Babe und Happy Feet von ihm waren nicht schlecht. Das hier aber ist eine Heimkehr. Willkommen zurück, du alter, närrischer Benzinbruder! (Christian Schachinger, DER STANDARD, 15.5.2015)