Wegen des Diskriminierungsverbots im Unionsrecht kann die Pkw-Maut nur mehr der Europäische Gerichtshof in Luxemburg ausbremsen, sagen Europarechtsexperten.

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Wien – Schnelle Erfolge sind im österreichischen Kampf gegen die Deutsche Pkw-Maut nicht zu erwarten. Im Gegenteil. Bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) über eine Klage entscheidet, würden gut zwei, drei Jahre vergehen, sagt der Europarechtler von der Universität Innsbruck, Walter Obwexer. Gibt der EuGH den Klägern Recht, können geschädigte Fahrzeughalter ihr Geld vom Kraftfahrbundesamt in Flensburg zurückfordern. Sie werden dafür allerdings die Originalrechnungen beziehungsweise die Ausdrucke der im Internet bestellten Vignetten brauchen.

Ein beschleunigtes Verfahren gegen die Maut-Einführung sei nicht zu erwarten, sagt Obwexer. Denn wohl würden ausländische Fahrzeughalter geschädigt, ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehe aber nicht. Der Grund: Zu viel bezahlte Maut kann nach einem OGH-Urteil zurückgefordert werden. Aus diesem Grund sei auch nicht zu erwarten, dass der EuGH eine einstweilige Anordnung genehmigen würde. "Es gibt eigentlich keine Möglichkeit, die Maut-Einführung zu verhindern", sagte der Europarechtsexperte am Montagabend in einem Pressegespräch in Wien.

EU hat Vorrang

Dass Österreich gegen das am Freitag vom Bundesrat in Berlin endgültig abgesegnete Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe klagt, ist übrigens noch nicht ausgemacht. Nach Veröffentlichung des Gesetzestextes hat zunächst die EU-Kommission drei Monate Zeit, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Dem werde das Verkehrsministerium nicht vorgreifen, sagte Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ).

Bis dahin werde man Gespräche mit anderen EU-Partnerländern führen, etwa mit der niederländischen Regierung. "Wir laden andere EU-Länder aber ein, mitzumachen", sagte Stöger, der betonte, in Brüssel jedenfalls eine Beschwerde gegen Berlin einbringen zu wollen. "Zulasten aller Ausländer so eine Maßnahme einzuführen, rüttelt an den Grundlagen der Union." Gleichbehandlung sei eines der Grundprinzipien der Europäischen Union, das könne auch Deutschland nicht ignorieren.

Dass die geplante Pkw-Maut unionsrechtswidrig ist, weil sie EU-Ausländer benachteilige und damit gegen einen Grundpfeiler der EU verstoße, daran bestehe kein Zweifel, bekräftigte Obwexer seine Expertise vom Juli 2014. Rechtswidrig werde die Infrastrukturabgabe aber erst durch die gleichzeitig geplante Senkung der Kfz-Steuer für deutsche Fahrzeughalter im Ausmaß der Fahrleistungsabgabe. Jede einzelne Maßnahme für sich sei nicht zu beanstanden. Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags habe sich gegen die Konstruktion ausgesprochen. Ohne Erfolg.

Giftzähne gezogen

Starten soll die Einhebung der Maut an einem noch nicht festgelegten Datum im kommenden Jahr. Inländer zahlen dann für Autobahnen und Bundesstraßen eine Jahresmaut (im Schnitt 74 Euro), die nach Hubraum und Schadstoffausstoß des Autos gestaffelt ist.

Offensichtliche Giftzähne wurden der Maut-Regelung, die für Deutsche auch auf Bundesstraßen gilt, gezogen: Fahrzeughalter ohne Zulassung in Deutschland sind nur auf Autobahnen mautpflichtig und es wird doch eine Zehntages- oder Zweimonatsvignette geben. Sie werden zehn beziehungsweise 22 Euro kosten.

Stärkste Gegner der von Bayern gegen den Willen der Kanzlerpartei CDU und der SPD durchgeboxten Regelung sind Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Die drei Länder befürchten, dass die Wirtschaft in den Grenzregionen leiden werde. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) warb vor den Ländervertretern noch einmal für seine Maut. "Sie sichert langfristig den Ausbau unserer Infrastruktur", sagte er. Nach Abzug der Systemkosten soll die Maut laut Verkehrsministerium jährlich 500 Millionen Euro einbringen – gerade einmal so viel, wie die Pkw-Vignette in Österreich einspielt.

Zeit zur Sanierung hätte Deutschland ausreichend: Wird die Kfz-Steuer aus welchem Grund auch immer doch nicht gesenkt, wäre der Klagsgrund weg. (ung, 12.5.2015)