Im zentralen Kontenregister sollen Einlagen, Depots und Bausparer erfasst werden. Das Register soll vom Finanzministerium verwaltet werden.

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Wien – Das Bankgeheimnis gehörte lange zu Österreich wie Lipizzaner und Mozartkugeln. Doch diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Einen großen Teil der Steuerreform 2016 wollen SPÖ und ÖVP gegenfinanzieren, indem sie den Kampf gegen Steuerbetrug und Abgabenhinterziehung forcieren.

Im Finanzministerium wurden deshalb in den vergangenen Wochen mehrere Gesetzesänderungen ausgearbeitet. Die konkreten Pläne für die De-facto-Abschaffung des Bankgeheimnisses sorgen unter Experten und Politikern für heftige Debatten. Kritiker sagen: Die Regierung macht einen Schritt in die richtige Richtung. Sie könnte aber eine Chance auslassen, um an hunderte Millionen an unversteuerten Geldern zu kommen.

Zur Ausgangslage: Das Finanzministerium will ein zentrales Kontenregister einrichten. Darin erfasst werden sollen sämtliche Konten, Bausparverträge und Bankdepots von Privatpersonen und Unternehmen in Österreich.

Staatsanwalt darf einschauen

Im Register selbst wird nur einsehbar sein, welche Personen und juristische Personen (Firmen, Vereine) über Bankkonten im Inland verfügen. Die Identifikation soll mit der Steuernummer erfolgen – nur falls es diese nicht gibt, werden Name und Adresse des Kontoinhabers oder der wirtschaftlichen Berechtigten eingetragen. Guthaben oder Kontobewegungen werden nicht einsehbar sein.

Zugang zu den Informationen im Register sollen Behörden laut Regierungskreisen bekommen, wenn dies im Abgabeverfahren zweckmäßig und angemessen ist oder es um Finanzstraftaten geht. Unternehmen wären damit ebenso betroffen wie Lohnsteuerpflichtige. Wer eine Steuererklärung abgibt, befindet sich im Abgabeverfahren.

Mit dem zentralen Verzeichnis will die Finanz Steuerprüfern die Arbeit erleichtern: Durch Abfragen sollen sie sich künftig schnell einen Überblick verschaffen können, etwa ob die Firma B oder Steuerpflichtiger A Konten verstecken. Ist dies der Fall und bekommt die Finanz den Verdacht, dass der Betroffene Abgaben hinterzieht, kann sie in einem zweiten Schritt wie bisher Einsicht in die Bankguthaben nehmen. Das Register vereinfacht also die Entstehung eines Anfangverdachts. Ein Abfragerecht erhält auch die Staatsanwaltschaft. Damit erfüllt die Regierung eine Forderung der Korruptionsstaatsanwaltschaft, die seit Jahren auf die Einführung eines Registers drängt, um Betrugsfälle leichter bekämpfen zu können.

Einschau der Finanz

Von Seiten des Bankensprechers bei der Wirtschaftskammer, Franz Rudorfer, kommt erste Kritik: Sollte eine Registerabfrage wirklich in jedem Abgabeverfahren möglich werden, "wäre das ein massiver Eingriff in die finanzielle Privatsphäre der Bürger".

Die Regierung will zusätzlich mit einem Gesetz sicherstellen, dass Steuerhinterzieher nicht vor Inkrafttreten der Reform im Jänner 2016 ihre Depots leerräumen. Um das sicherzustellen, müssen Banken rückwirkend bis zum 1. März 2015 Kapitalabflüsse melden – ab einem Betrag von 50.000 Euro. Die Meldepflicht soll bis 2020 gelten.

Durchboxen können SPÖ und ÖVP die neuen Regeln nicht: Die Einrichtung des Registers und die Meldepflicht durchbrechen das in einer Verfassungsbestimmung verankerte Bankgeheimnis. Die Regierungsparteien benötigen daher eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Verhandlungen mit den Grünen laufen schon.

Doch die Oppositionspartei verlangt im Gegenzug für ihre Zustimmung einige Abänderungen. Der Grünen-Verhandlungsführer Bruno Rossmann sieht etwa einen klaren Verbesserungsbedarf beim Thema Datenschutz. So will er die Einsetzung eines Rechtschutzbeauftragten oder Ähnliches durchsetzen, damit dieser überprüft und überwacht, wann die Behörden auf das Register zugreifen.

Damit verbunden ist, dass Rossmann auch möchte, dass Betroffene über Abfragen im Register informiert werden und ein Protokoll darüber angelegt wird. Die Grünen wollen zudem sicherstellen, dass Sozialämter keinen Zugriff auf das Register bekommen, damit Hilfeempfänger nicht zusätzlichem Druck ausgesetzt werden.

Rechtschutzbeauftragter

Eine weitere zentrale Frage scheint ebenfalls geklärt: Steuerberater rätselten darüber, wie lange Hinterzieher künftig eine strafbefreiende Selbstanzeige bei der Finanz einbringen können. In Deutschland gilt, dass eine Selbstanzeige wirkungslos ist, wenn die Behörden eine Steuerprüfung ankündigen. Kommt es zu einer Abfrage im Register, ist es für die strafbefreiende Selbstanzeige im Nachbarland meist zu spät. In Österreich wird es so eine Bestimmung nicht geben.

Einer der weiteren strittigen Punkte betrifft eine besondere Gruppe von Steuerhinterziehern: die Schweiz-Abschleicher. Im April 2012 unterzeichneten Wien und Bern ein Abkommen zur Nachversteuerung von heimischem Schwarzgeld in der Schweiz. Ein Teil der Steuerbetrüger ergriff die Flucht – und zog das Schwarzgeld nach Österreich ab. Auch sie nennt man Abschleicher. Das insgesamt aus der Schweiz weggeschaffte Vermögen wird von Experten grob auf bis zu zehn Milliarden Euro geschätzt.

Jagd auf Abschleicher

Bisher waren die Schweiz-Rückkehrer in Österreich via Bankgeheimnis geschützt. Im Finanzministerium hieß es, man wolle das mit der Reform ändern. Zunächst sind die nach Österreich heimgeholten Gelder hier wegen der erwähnten Meldepflicht von Abflüssen bis zu 50.000 Euro "gefangen". Jeder Transfer von größeren Beträgen ins Ausland würde auffallen.

Steuerberater Alexander Lang von Deloitte glaubt, dass das Kontenregister die Abschleicher nervös machen wird. Denn die Finanz kann künftig bei einer Steuerprüfung leicht feststellen, dass ihr Konten verschwiegen werden. In einem zweiten Schritt könnte sie rückwirkend in Guthaben Einsicht nehmen und Geldtransfers bis ins Jahr 2012 zurückverfolgen.

Doch der Grünen-Politiker Rossmann ist skeptisch: "Ich habe nicht den Eindruck, dass die Regierung gegen die Abschleicher wirklich etwas unternehmen will." Im Kontenregister wird es Millionen Einträge geben.

Kompromiss-Suche

Sogar wenn man ein paar Abschleicher aus Zufall erwischt, kann die Mehrheit darauf hoffen, dass ihre Straftaten verjähren. Skeptisch zeigt sich auch der Wiener Steuerberater Helmut Moritz: Ob die neuen Regeln Abschleicher wirklich aufscheuchen können, sei "fraglich", wenn auch nicht ausgeschlossen.

In ihrer Skepsis bestärkt werden die Grünen durch die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Finanzministeriums. Rossmann wollte von Minister Hans Jörg Schelling wissen, wie Wien Druck auf die Schweiz auszuüben will, um die Abschleicher zu finden. Die Antwort des Ministeriums fällt kurz aus: Man wolle auf "bilateraler Ebene mögliche Kompromisse ausloten". (András Szigetvari, 11.5.2015)