Fabien J. wusste nach dem Poly-Abschluss nicht, wie sie zu einem Beruf kommt. Dank der Jobfabrik hat sie mehr über die Lehre als Tierpflegerin gelernt.

Das Risiko, ein "Neet" zu werden, liegt bei frühem Schulabschluss bei 47 Prozent.

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Nach der Reinigung der Gehege dürfen die Jugendlichen mit den Hunden spielen.

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Mit dem Grad der Bildung sinkt das Risiko, arbeitslos zu werden.

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"Rocky" ist schon seit Februar im Tierheim und sucht ein Zuhause. Mehr Infos auf der Homepage des Tierquartiers.

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Wien – Fabien J. hat gefunden, was sie gesucht hat: ein Ziel. Nach dem Abschluss der polytechnischen Schule war die 15-Jährige orientierungslos. "Ich wusste schon, dass ich gerne Tierpflegerin wäre, aber ich wusste nicht, wo ich ansetzen soll." Ihr Abschlusszeugnis sei nicht besonders gut. "Ich habe keine Fünfer, aber einen oder zwei Vierer." Das sind Noten, bei denen viele ihrer Kollegen nicht mithalten können.

Fabien besucht die "Jobfabrik" der Volkshilfe in Wien, eine Produktionsschule. Diese Schulen helfen jenen rund 80.000 Jugendlichen, die aufgrund von Lernschwächen oder anderen Problemen nach der Schulpflicht keine weitere Ausbildung gemacht haben und keinen Job haben. Das Ziel ist es, die Teenager so zu unterstützen, dass sie eine weitere Ausbildung machen können. Derzeit werden mehr als 4.000 Jugendliche in 40 Projekten dieser Art betreut. Wenn die Ausbildungspflicht bis 18 kommt, sind Produktionsschulen für die Umsetzung wichtig.

Die Jobfabrik wird vom "Netzwerk Berufliche Assistenz" des Sozialministeriums finanziert. Die Jugendlichen bekommen vom Arbeitsmarktservice je nach Alter zwischen 300 und 700 Euro pro Monat ausbezahlt. Sie arbeiten ein Jahr lang in einem oder mehreren Übungsmodulen.

Zwei Tage Pflegerin

Fabien hat sich für "Tier und Natur" und "Systemgastronomie" entschieden. Sie liebt Hunde, zu Hause hat sie zwei. Dieser Leidenschaft kann sie in der Jobfabrik nachgehen, weil es eine Kooperation mit dem "Tierquartier" der Stadt Wien gibt. Zwei Tage pro Woche ist Fabien Tierpflegerin.

Heute kümmern sich drei Jugendliche um die Hunde des Tierheims. Fabien, Manuel und Lisa tragen dunkelblaue Latzhosen und Gummistiefel. Die Gehege haben sie bereits vom Hundekot gereinigt, jetzt füllen sie silberne Näpfe mit Wasser. "Es ist anstrengend, aber okay", sagt Manuel über seine Arbeit und zuckt mit den Schultern. Dass er die Hunde sehr mag, wird später beim Spielen mit Rocky im Freien klar. "Ich würde ihn ja nehmen, aber der würde unsere kleine Wohnung sofort zerstören", sagt er und lacht, als der Rüde das Gras unter seinen Füßen frisst und ihn dabei fast umwirft.

Fabien weiß von jedem Hund Namen, Rasse und den Grund, warum er hier ist. "Es gefällt mir, wenn die Hunde klein und dünn sind, wenn sie ankommen, und ich sehe, wie sie stärker werden."

Angeleitet werden die drei von Christoph Eberhartinger. Er ist nicht nur Jugendcoach, sondern auch ausgebildeter Tierpfleger. "Es ist super, dass es hier eine ganz klare Struktur gibt. Die Jugendlichen müssen zuerst die Reinigung erledigen. Es ist ganz klar, das muss gemacht werden, damit sich die Hunde wohlfühlen. Dann gibt es die Belohnung, und sie dürfen mit ihnen spielen." Es sei sehr wichtig, dass seine Schützlinge wissen, wofür sie was machen.

Vertrauen gewinnen

Das bestätigt auch Charlotte Welzl. Sie ist die stellvertretende Leiterin der Jobfabrik. Wenn einer "ihrer" Burschen oder Mädchen nicht zur Arbeit kommt, versucht sie herauszufinden, warum. "Wir fragen, ob er nicht aufstehen kann, wann er ins Bett gegangen ist, ob es jemanden gibt, der ihn weckt." Manchmal reicht schon der Tipp, sich den Wecker nicht ans Bett, sondern weiter weg zu stellen, sodass man aufstehen muss, um ihn abzuschalten. Meist wiegen die Probleme aber schwerer, weil es etwa Schwierigkeiten in der Familie gibt. "Unsere Coaches versuchen eine gute Beziehung aufzubauen und so das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen."

Um den Schützlingen dennoch zu vermitteln, wie es in der realen Arbeitswelt zugeht, gibt es neben den Coaches auch Trainer für jedes Modul. Sie sind die Chefs, lehren den Job und schimpfen, wenn jemand unpünktlich ist.

Basiskenntnisse fehlen

Neben dem Jobtraining erwerben die Jugendlichen Grundlagen in Mathematik und Deutsch und andere Basiskenntnisse. "Zwei Drittel können keine analoge Uhr lesen", erzählt Welzl. Wie oft sie in der Wissenswerkstatt sind, wird individuell entschieden. "Es macht keinen Sinn, jemanden zu quälen, der eine Lernbarriere hat." Es gehe darum, den Mädchen und Burschen ihr Selbstwertgefühl zurückzugeben, indem sie etwas machen dürfen, worin sie gut sind. Das kann zum Beispiel auch einfach Abwaschen nach dem gemeinsamen Mittagessen sein. "Man muss ihnen Aufgaben geben, die sie gerade noch bewältigen können, die aber schon eine Herausforderung sind", beschreibt Welzl ihre Philosophie der richtigen Förderung.

Fabien ist eines der erfolgreichsten Mädchen in der Jobfabrik. Welzl ist überzeugt, dass sie eine Lehrstelle finden wird. Fabiens Ziel ist es, im Tierquartier zu bleiben. "Ich hoffe, ich kann hier eine Lehre machen", sagt sie. Ob das geht, ist unklar, denn zurzeit bietet das Tierheim noch keine Lehrstellen, plant das aber. Ein paar Monate kann Fabien aber sicher noch bleiben und dem kürzlich eingetroffenen Mopswelpen beim Dickerwerden zuschauen. (Lisa Kogelnik, 12.5.2015)