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Schön gesprochen zum Gedenktag - aber die Konsequenzen bleiben aus.

Foto: APA / Peter Lechner

Schön haben sie gesprochen zum Weltkriegsende-Gedenken. Der Bundespräsident findet zu solchen Anlässen stets die richtigen Worte. Die Erzählungen der Zeitzeugen sind nicht anders als berührend zu nennen. Auch die meisten Politiker in Österreich haben den richtigen Ton getroffen und in den vergangenen Jahren gelernt einzumahnen, dass das Gedenken wohl nur funktionieren werde, wenn wir die Lehren der Geschichte auf die Gegenwart anzuwenden wissen.

Der Bundeskanzler sprach am Sonntag in der Gedenkstätte Mauthausen davon, dass dieser Ort uns lehre, "Toleranz, Demokratie, Gewaltfreiheit und Solidarität hochzuhalten". Das ist auch sehr schön gesagt, obwohl "Toleranz" wahrscheinlich nicht ausreichen wird.

Lotte Tobisch hat die Kanzler-Worte vielleicht voraus geahnt, sie schrieb in ihrer "News"-Kolumne schon im Vorfeld, dass sie das Wort "tolerare" nicht leiden könne, weil es zu viel mit "erdulden" und zu wenig mit "akzeptieren, annehmen" zu tun habe.

Rechenkunst statt Hilfe

Wo sie recht hat, hat sie recht. Doch möglicherweise ist es österreichische Staatsdoktrin, die Dinge zu tolerieren statt zu akzeptieren. Zumindest benehmen wir uns so, etwa, wenn es um Asylwerber, Entwicklungszusammenarbeit und/oder Integration geht. Wir geben uns gerne tolerant gegenüber unseren Mitbürgern mit Migrationshintergrund, aber diese auch wirklich als Teil unserer österreichischen Identität zu sehen fällt uns offenbar schwer.

Vielleicht mag das daran liegen, dass wir stillschweigend toleriert haben, dass Österreich ein Einwanderungsland ist - immer war, im übrigen, dies aber nicht und nicht akzeptieren wollen. Unsere Toleranz gegenüber den Ärmsten auf der Welt treibt unserer Regierung Worte der Betroffenheit und der Empörung auf die Lippen, wenn im Mittelmeer tausende Menschen hilflos ertrinken.

Sie führt aber nicht dazu, dass dieselben Damen und Herren die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit erhöhen. Lieber wenden sie ihre Rechenkünste an um darzulegen, dass wir eh mehr zahlen als wir eigentlich tun, weil man ja auch noch die privaten Spenden dazu zählen müsse. Toleranz hin oder her.

Ignorieren statt begrüßen

Besagte Toleranz hindert uns auch daran, ehrlichen Herzens "Willkommen" zu Neuem und Unbekanntem zu sagen - und andererseits mit großer Selbstverständlichkeit zu verlangen, dass die Neuen, bis dato Unbekannten, tatsächlich zu diesem unseren Land dazugehören sollen und müssen.

Unsere Toleranz bedingt auch, dass wir hinnehmen (oder erdulden, je nach Temperament), dass ein erklecklicher Anteil der heranwachsenden Generation in ihren Chancen und Möglichkeiten zurück bleibt - weil sie nicht in den richtigen (Stadt-)vierteln mit den richtigen Eltern und den richtigen Schulen wohnen. Und das betrifft beileibe nicht nur Wien.

Wir nehmen hin, dass eine stockkonservative Lobby an dünkelhaften Personalvertretern verhindert, dass alle Kinder die gleichen Chancen bekommen - statt dass sie ihre Energien und ihren politischen Einfluss lieber darauf verwenden, Ressourcen für eine intern ausdifferenzierte Förderung (und auch kindgerechte Nachmittagsbetreuung) zu bekommen.

Verhindern statt fördern

Unsere Formen von Toleranz teilen wir offenbar mit unseren deutschen Nachbarn. Wie eine "Spiegel"-Coverstory kürzlich eindrucksvoll zeigte, ist auch in Deutschland bereits ab der Geburt festgelegt, wie sich ein Kind entwickelt und welche Chancen es in seinem Leben bekommt.

Wirklich tröstlich ist das nicht, eher beängstigend. Wir verspielen gerade unsere Zukunft, und man mag nicht zu Ende denken was passieren kann wenn jene, die nie eine Chance hatten, einmal politisch instrumentalisiert, auf unser "nie wieder" pfeifen. Insofern sollten wir schon aus purem Eigennutz uns und unseren Volksvertretern das tolerieren ab- und das akzeptieren angewöhnen. (Petra Stuiber, 12.05.2015)