Nun sitze ich hier, am Vorabend der Mathematikmatura, und anstatt zu lernen, lese ich verschiedene Zeitungsartikel über die Zentralmatura von Politikern, Lehrern, Direktoren und was weiß ich was für Leuten durch. Hier also die Zentralmatura ganz kurz und knapp aus der Sicht eines Schülers, der mittendrin steckt:

Vorwissenschaftliche Arbeit als Theater

Fangen wir mit der Vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA), der ersten Säule dieser neuen Matura, die schon abgeschlossen ist, an. Ich war bei sehr vielen VWA-Präsentationen meiner Schule anwesend, um mir einen Eindruck über die Benotung zu verschaffen, und das Ganze lässt sich ziemlich treffend mit dem Wort „Theater“ beschreiben. Die Schüler standen vor dem Komitee und diversen Zuschauern, haben brav ihre auswendig gelernte Vorstellung abgehalten und die ebenso auswendig gelernten Fragen beantwortet.

Die einen mit Themen wie „Ornamentationstechnik in der Barockmusik“ hatten etwas mehr Glück, da niemand außer ihnen und vielleicht ihren Betreuungslehrern eine Ahnung von der Materie ihrer Arbeit hatte, andere wurden mit dummen Fragen durchlöchert. Und so kam es, dass qualitativ gleichwertige Präsentationen komplett verschieden benotet wurden, also alles andere als „zentral“.

Man kann übrigens auch beim schriftlichen Teil der VWA kaum von „zentral“ sprechen, da die Arbeiten unter komplett verschiedenen Umständen verfasst wurden. Diejenigen, die Akademiker in ihrer Familie haben, konnten sich glücklich schätzen, die anderen haben halt Pech gehabt. Natürlich hat auch der ein oder andere Lehrer nachgebessert, bevor die Arbeit abgegeben wurde, aber halt nur der ein oder andere und nicht jeder.

Schreiben ist Kunst und kein Leistungssport

Seit einiger Zeit ist nun also auch die schriftliche Zentralmatura im Gange: Es gab drei verschiedene Themen zur Auswahl und pro Thema musste man zwei Textsorten verfassen. Und tatsächlich, da war für jeden Geschmack was dabei. Das Problem an der ganzen Sache sind aber die Arbeitsaufträge, denn die geben einem ganz genau an, was man machen muss, und das geht sich eben gerade so in der vorgegebenen Wortanzahl aus. Platz für Kreativität und eigenständiges Denken bleibt hier also meiner Meinung nach nicht. Erdrückend war auch die Dauer der Klausur. Schreiben ist Kunst und kein Leistungssport!

In Englisch lief das Ganze ähnlich ab; Stress und kein Platz für Kreativität und eigenständiges Denken – aber man durfte seine Erfahrungen mit dem Fahrradfahren beschreiben, was für ein Spaß.

Jeder soll durchschnittlich abschneiden

„Alles in allem ja eigentlich gar nicht so schlimm“, wird man sich da als Außenstehender denken. Doch. Und zwar schlimmer, als es scheint. Denn auch wenn der Großteil meines Jahrgangs diese Matura bestehen wird, ist der Wert dieser „Reifeprüfung“ meiner Meinung nach sehr stark anzuzweifeln, denn wie schon eine meiner Lehrerinnen gesagt hat: „Auch wenn ihr jetzt die Matura in meinem Fach bestehen werdet, braucht ihr euch nichts darauf einzubilden, letztes Jahr wäre das noch ein Fleck gewesen.“ Es scheint nämlich so, und hat sich beim Ablegen der Klausuren auch so angefühlt, als ob die ganze Matura darauf ausgelegt wäre, dass einfach jeder durchschnittlich abschneidet. Das kann man übrigens auch schon am neuen Benotungssystem erkennen.

Und um noch einmal Bezug auf das Familienthema der Deutschmatura zu nehmen: Wenn das Bildungssystem so bleibt, wie es ist, dann werde ich keine Kinder in die Welt setzen. Falls das also irgendjemand der Verantwortlichen liest, dann bitte ich euch hiermit inständig, das Konzept dieser Zentralmatura noch einmal neu zu überdenken und es zu überarbeiten, denn im Moment verbannt dieses „zentral“ Kreativität, Kunst, Individualität und Spaß aus dem Unterricht. (Phillipp Annerer, 11.5.2015)