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Fünf Rösser sichern einen Arbeitsplatz, besagen Studien.

Foto: APA/Frey

Wien - "Sind wir im Wilden Westen?" Gerold Dautzenberg ist Hürden gewohnt. Was sich derzeit jedoch rund um Österreichs Pferdeställe abspielt, lässt den Vizepräsidenten des Pferdesportverbands an jeder Vernunft der Politik zweifeln. Es geht um Gesetze und Auflagen, vor allem aber um viel Geld. Gräben ziehen sich quer durch die gesamte Pferdebranche. Die größte Kluft tut sich zwischen Bauern und der Wirtschaftskammer auf. Die Fehden machen manch Reitpferd für die Behörde zum günstigen Schlachtross, lassen Einstellbetriebe zusperren und treiben die Kosten für Reiter nach oben.

Die Frage, an der sich der Konflikt entzündet: Ab wann ist landwirtschaftliche Pferdehaltung eine gewerbliche? Sobald die bäuerliche Urproduktion nicht mehr bei weitem überwiegt, sagt die Gewerbeordnung. Zehn fremde Rösser auf acht Hektar Grünland reichen aus, um sich ihr unterordnen zu müssen. Was heißt: ohne Grünland-Umwidmung und gewerbliche Betriebsanlagengenehmigung weder Stall noch Reitplatz.

Hohe Einstellgebühren

Viele Jahre sah das Auge des Gesetzes darüber milde hinweg. Bis sich 2012 für die mehr als 400 gewerblichen Betriebe die Umsatzsteuer auf 20 Prozent verdoppelte. Was folglich die Einstellgebühren zum Teil empfindlich erhöhte.

Bauern kommen günstiger weg. Eine Ungleichheit, die Gewerbetreibende so nicht mehr tolerieren wollten und ihre ländliche Konkurrenz mit Anzeigen eindeckten. Zumal sich diese teils im großen Stil ihrer Schweine und Kühe entledigt hatten und aufs lukrativere Geschäft mit Pferdefreunden umsattelten. "Manche haben es mit riesigen Reitanlagen sicher übertrieben", räumt Dautzenberg ein. Was jedoch nun dazu führe, dass auch kleine Bauern ins Gewerbe getrieben würden, mit all seinen für sie oft widrigen Vorgaben. "Erst hat man sie in die Pferdehaltung geführt, jetzt lässt man sie im Regen stehen." Bis zu 2000 Jobs seien dadurch schon verloren gegangen.

Leopold Erasimus sieht in Österreich 5000 bäuerliche Einstellbetriebe veranlasst, ein Gewerbe anmelden zu müssen. Bis zu 2000 könnten an Umwidmungen durch die Gemeinden und Mehrkosten scheitern, fürchtet der Geschäftsführer der Zentralen Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Pferdezüchter. "Sie werden aufgeben, und die restlichen werden teurer." Und das betrifft, ist sich die Branche einig, alles andere als eine reiche, pferdenarrische Minderheit.

Nicht nur für reiche Töchter

Fünf Rösser sorgen für einen Job, erhob eine Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts im Auftrag der Plattform Pferd Austria. Was bei fast 120.000 Tieren hierzulande 23.000 Stellen sichere, bei Ärzten und Hufschmieden ebenso wie im Tourismus, in der Futtermittelindustrie und im Sporthandel. Sie generierten demnach eine Wertschöpfung von 1,1 Milliarden Euro, der Gesamteffekt sei beinahe doppelt so groß.

Wer sich im Wiener Raum ein Pferd halten will, muss mit monatlichen Kosten von 400, 500 Euro rechnen. Dass Reiten nur etwas für Töchter aus begütertem Hause ist, entbehrt für Dautzenberg jeder Realität. "81 Prozent der Familien mit Reitern leben im Monat netto von nicht mehr als 3000 Euro." Obwohl sich die Wirtschaftskammer damit in das eigene Fleisch schneide, verweigere sie auf Bundesebene jedes Gespräch, klagt Erasimus, der kürzlich eine Petition für "faire Bedingungen" lancierte.

Franz Eckner, Branchenvertreter in der WKÖ und gewerblicher Reitstallbesitzer, weist dies scharf zurück. Dass Bauern von alten Privilegien nicht heruntersteigen wollen, sei eine alte Geschichte, sagt er. "Sie sollen Betriebsgenehmigungen einhalten wie jeder andere auch." Nicht zuletzt gehe es hier um Tier- und Personenschutz.

Dass Einstellbetriebe nun reihenweise aufgeben, hält er für Unsinn. "Für jene mit wenigen Pferden wird sich immer eine Lösung finden." Inakzeptabel ist für ihn der Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft der Pferdezüchter. Dieser sieht vor, dass Landwirte Landwirte bleiben, sofern sie etwa auf einem Betrieb von 15 Hektar nicht mehr als 37 Einstellpferde halten.

Hindernis Liebhaberei

An Hindernissen fehlt es allerdings auch den Gewerbebetrieben nicht. Sieben gewinnreiche Jahre sind nötig, damit ihre Pferdehaltung nicht als Liebhaberei eingestuft wird und sie bei Investitionen eine Rückvergütung der Umsatzsteuer erhalten. Dafür braucht es aber zumindest 25 bis 30 Einsteller. Im Burgenland etwa dürfen ihre Boxen generell nur auf teurem Spezialbeton stehen. Für Rösser in Oberösterreich tut es hingegen auch gestampfter Lehm.

Die hohe finanzielle Belastung lade geradezu dazu ein, manches Freizeitpferd als steuerbegünstigtes Schlachttier zu titulieren, erzählen Reitstallbetreiber.

Geht es nach Erasimus, dürfte das Gesetz auch keine Unterschiede zwischen Rindern und Pensionspferden machen: "Beide grasen auf der Wiese, beide werden nicht geritten. Ob Kuh oder Pferd, sollte da eigentlich wurscht sein." (Verena Kainrath, DER STANDARD, 9.5.2015)