Liebe MaturantInnen, das Leben vor euch ist ein einziges blassgrünes Teletubbies-Land mit sanften Hügeln und infantilen, freundlichen Wesen, die immerzu winke, winke machen. Die Wirklichkeit ist eine fürsorglich heruntergedimmte, von allen bösen Schadstoffen gereinigte Sphäre, in der euch nichts so Beunruhigendes wie Sex, Gewalt oder Tod in eurer heilpädagogisch zertifizierten inneren Balance verunsichern darf.

Jedenfalls wenn es nach den Auswahlkriterien für eure Maturathemen geht. Jürgen Horschinegg, Direktor des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie), erklärt im Standard-Gespräch, dass für die Zentralmatura manche Themen gemieden werden. "Sex, Kriminalität und Tod dürfen zum Beispiel nicht vorkommen." Die Schüler sollen "nicht emotionalisiert" werden.

Ah, deshalb wird klassische Literatur an den Schulen immer seltener! Faust z. B. eine ganz schlimme Geschichte von intellektueller Depression, Einnahme bewusstseinsverändernder Substanzen, Verführung einer Minderjährigen, arglistiger Täuschung, Totschlag und Kindsmord.

Dafür gab es heuer bei der Englisch-Zentralmatura die lustige Geschichte vom Neos-Politiker Niko Alm und seinem Nudelsieb als Symbol seiner Pseudoreligion "Pastafari". Welcher Bildungspolitiker hält das für ein relevantes Thema? Aber es hat jedenfalls nix mit Sex, Gewalt oder Tod zu tun. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 9.5.2015)