Wien - Es gibt Krankheiten, vor denen die Menschen sich einfach nicht fürchten. Herzschwäche zum Beispiel. Wer die Treppen nur mehr schwer atmend hinaufkommt, dauermüde ist oder abends geschwollene Beine hat, schiebt es nur allzu gern aufs Alter und konsultiert deshalb schon gar nicht den Arzt. "Rein medizinisch betrachtet ist eine Herzinsuffizienz allerdings ähnlich besorgniserregend wie eine Krebserkrankung", sagt Kardiologe Deddo Mörtl vom Universitätsklinikum St. Pölten.
Zu wenig Blut
Schätzungen zufolge leiden 300.000 Frauen und Männer in Österreich an der Erkrankung, die in der Fachsprache Myokardinsuffizienz heißt. Ist das der Fall, schafft es der Herzmuskel nicht mehr, genügend Blut und damit Sauerstoff in den Rest des Körpers zu transportieren. Wer die Symptome ignoriert, riskiert frühzeitigen Tod. Die meisten Patienten für Herztransplantation (siehe Leben, S. 25)sind Herzinsuffizienzpatienten im Spätstadium.
So weit muss es nicht kommen, "denn es gibt gute Möglichkeiten, dem Herz die Arbeit zu erleichtern", sagt Kardiologe Günter Stix von der Med-Uni Wien und meint Medikamente, die den Blutdruck senken, konkret Betablocker, Angiotensin-Antagonisten oder ACE-Hemmer. "Entscheidend dabei ist, dass die Patienten gut eingestellt werden, das kann mitunter eine Zeit dauern", sagt Stix.
Dass mit solchen Maßnahmen die Lebensdauer verlängert und die Lebensqualität langfristig verbessert werden kann, haben zahlreiche Studien eindeutig ergeben. Dass Kardiologen anlässlich des gestrigen Tages der Herzinsuffizienz warnen, hat einen Grund: Aufgrund der demografischen Entwicklungen werden die Krankenzahlen massiv steigen.
Die Kranken von morgen
Die Zahl hat sich ohnehin in den letzten 30 Jahren schon verdreifacht. 20 Prozent der heute 40-Jährigen und jeder Dritte der 55-Jährigen wird in Zukunft mit dieser Diagnose konfrontiert sein, zeigen Berechnungen. Vor allem Herzinfarktüberlebende sind eine Hochrisikogruppe.
Seit 2006 gibt es in Österreich ein Herzinsuffizienzregister, das aktuell alarmierende Daten zeigt. 64 Prozent der Herzinsuffizienzpatienten werden nicht nach den kardiologischen Leitlinien behandelt, nehmen ihre Medikamente nicht. Als "Frequent Flyers" bezeichnet sie Kardiologe Mörtl, also Patienten, die gleich nach einer Entlassung wieder ins Spital zurückkommen.
Das liegt am System wie auch an den Patienten. "Wir müssen intensiv nachfragen, bis uns die Menschen erzählen, dass sie nur mehr im Sitzen schlafen, weil sie sonst keine Luft mehr bekommen", sagt Lothar Fiedler, Bundesfachgruppenobmann für Innere Medizin und Internist in St. Pölten, vor allem sei es schwer, eine leichte Herzinsuffizienz zu diagnostizieren, weil die Symptome unspezifisch sein können. Atemnot, keine Kondition, Appetitlosigkeit, aber auch Kältegefühl oder kalte Haut sollten immer Warnsignale sein. Gut wäre, wenn auch Angehörige darauf achten.
Richtige Dosis finden
Wer einmal als Patient diagnostiziert ist, muss sich an die Medikamente gewöhnen. "Wenn wir den Blutdruck senken, werden Patienten oft müde, es dauert eine Zeit, bis die richtige Dosis gefunden ist", berichtet Stix. Entscheidend seien engmaschige Kontrollen und ein Messen des Brain Natriuretic Peptide (proBNP), eines Proteins, das ein Marker für Herzinsuffizienz im Blut ist. "Es geht darum, diesen Wert zu senken, die positiven Folgen stellen sich langfristig ein."
Was Kardiologen insgesamt fordern: Bessere Versorgungsstrukturen, weil "viele unserer Patienten nicht nur eine, sondern mehrere Erkrankungen haben", sagt Mörtl, aber auch Maßnahmen wie Telemonitoring oder die Finanzierung von spezialisierten Krankenschwestern, die Patienten zu Hause aufsuchen, seien sinnvolle Maßnahmen. "Es geht darum, ein Bewusstsein bei Betroffenen zu schaffen", sagt Mörtl und hofft auf ein Ende der Bagatellisierung. (Karin Pollack, 9.5.2015)