Dieses Inserat veröffentlichte die Schweizerische Volkspartei im Jahr 2011.

Foto: SVP

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) sorgt mit ihren politischen Kampagnen immer wieder für Diskussionen: Schwarze Schafe, die des Landes verwiesen werden, eine Berglandschaft voller Minarette oder verschiedenfarbige Hände, die nach einem Korb voller Schweizer Pässe greifen – für ihre explizite Darstellung fremdenfeindlicher Motive ist die SVP seit längerem bekannt.

Mit dem Inserat "Kosovaren schlitzen Schweizer auf" ist die Partei aber offenbar zu weit gegangen. Es wurde bereits 2011 für eine Antizuwanderungsinitiative verwendet – und vor einem Jahr wieder im Rahmen der Volksabstimmung zur Einschränkung der Arbeitsmigration. Die Causa hatte ein gerichtliches Nachspiel: SVP-Generalsekretär Martin Baltisser und seine Stellvertreterin Silvia Bär wurden im Jahr 2011 von zwei Privatklägern angezeigt.

Das Strafverfahren gegen die beiden wurde im Jahr 2012 aus Mangel an Beweisen eingestellt. Nach Einspruch der Kläger wurde das Verfahren gegen Baltisser und Bär fortgeführt. Am 29. April dieses Jahres verurteilte das Regionalgericht Bern die beiden Angeklagten zu einer bedingten Geldstrafe, die sich nach Einkommen und persönlichen Verhältnissen richtet. Generalsekretär Baltisser erhielt eine bedingte Strafe von umgerechnet 16.700 Euro, seine Stellvertreterin Bär eine von 22.500 Euro. Zudem müssen die beiden gemeinsam für die Verfahrenskosten aufkommen und den Privatklägern eine Entschädigung von 13.000 Euro bezahlen.

"Schreckliches und menschenverachtendes Inserat"

Gemäß dem erstinstanzlichen Regionalgericht Bern hätten die beiden als Kommunikationsprofis einschätzen können, dass dieses Inserat als rassistisch einzustufen sei, allerdings nichts dagegen unternommen. Die Einzelrichterin in dem Verfahren hält die Formulierung für zweideutig. Für einen Durchschnittsleser sei unter dieser Aussage zu verstehen, dass die Kosovaren als Volksgruppe Verbrecher sind, was eine undifferenzierte Verallgemeinerung darstelle. Der Richterin zufolge sei Menschenwürde oberstes Gebot, wenn ein Verbrechen öffentlich kommentiert werde.

Der Anwalt der beiden Kläger, David Gibor, bezeichnete das Inserat als "schrecklich und menschenverachtend". Gibor hat Anfang des Jahres eine Klage beim Bundesgericht in Bern eingereicht: Die Volksabstimmung über die Einschränkung der Personenfreizügigkeit vom Februar 2014 sollte für ungültig erklärt werden, weil das "Schlitzer-Inserat" damals erneut für die Kampagne verwendet wurde. "Wer mit solchen Mitteln auf Stimmenfang geht und damit die direkte Demokratie pervertiert, verletzt in fundamentaler Weise die rechtsstaatliche Grundordnung", so Gibor.

"Keine rassistischen Gedanken"

Beide Angeklagten betonten, sie hätten keine rassistischen Gedanken bei diesem Inserat gehabt. Vielmehr handle es sich um eine Art Verkürzung, was auch im Journalismus durchaus üblich sei. Schließlich sei es bei einem Slogan wie etwa "Schweizer machen Uhren" auch logisch, dass nicht alle Personen in der Schweiz Uhren machen. Das Inserat habe sich ausschließlich auf einen Fall im August 2011 bezogen, als ein Schweizer von zwei Kosovaren bei einer Messerstecherei in Interlaken "aufgeschlitzt" worden war. Es sei gegen kriminelle Ausländer gerichtet gewesen und nicht gegen eine ganze Volksgruppe.

Der Verteidiger der beiden Angeklagten argumentierte, dass man "krank" sein müsse, um ein derartiges Inserat "misszuverstehen". Auch bezweifelte er, dass es sich bei den Kosovaren überhaupt um eine Ethnie handle.

Die SVP spricht auf ihrer Webseite von einem "politischen Urteil wegen angeblicher Rassendiskriminierung", das sie zutiefst beunruhige. Es sei ein "schwerer Schlag" gegen die freie Meinungsäußerung in der Schweiz. Offensichtlich sei es nicht mehr möglich, "reale Ereignisse" darzustellen. "Politische Gegner der SVP haben damit erreicht, dass in der Schweiz nicht mehr gesagt und geschrieben werden darf, was ist", hieß es weiter.

Sobald die schriftliche Urteilsverkündung vorliege, werde die Partei entscheiden, ob sie in Berufung gehen will, so ein Pressesprecher der SVP.

Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz nicht überdurchschnittlich

Im europäischen Vergleich ist in der Schweiz keine überdurchschnittliche Fremdenfeindlichkeit zu verzeichnen. Die Schweizerische Eidgenossenschaft führte im Zeitraum 2010 bis 2014 drei umfangreiche Studien mit der Fragestellung "Wie fremdenfeindlich und rassistisch ist die Schweiz?" durch. Laut Michele Galizia, Leiter der Fachstelle für Rassismusbekämpfung des Bundes, sticht die Schweiz punkto Fremdenfeindlichkeit und Rassismus im europäischen Vergleich nicht hervor.

Im Jahr 2014 sei bei 24 Prozent der Befragten eine systematisch fremdenfeindliche Haltung festgestellt worden. Mehr als die Hälfte der Befragten betrachten Rassismus als "sehr ernstes" oder "ernstes" gesellschaftliches Problem. Als zunehmendes Phänomen wurde in dieser Studienreihe die Fremdenfeindlichkeit am Arbeitsplatz festgestellt, besonders gegenüber Personen aus dem afrikanischen, arabischen sowie asiatischen Raum. (Tugba Ayaz, 8.5.2015)