Die innenpolitische Diskussion über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge krankt an den gleichen Defiziten wie die Querelen ums Asylthema in Österreich insgesamt. Die betroffenen jungen Leute - alleinstehende unter 18-Jährige, die in Österreich einen Asylantrag gestellt haben - kommen hauptsächlich in Form von Zahlen und als zu verteilende Last vor.

So war es auch nach der Landeshauptleutekonferenz am Mittwoch in St. Pölten: 2260 Minderjährige ohne Familienanhang hätten vergangenes Jahr in Österreich um Schutz ersucht, über 800 seien derzeit im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen untergebracht. Nun gelte es sie dem Bevölkerungsschlüssel entsprechend in den Bundesländern unterzubringen, hieß es dort. Auf diese Weise wurde erneut eine anonyme Masse junger Menschen suggeriert, die unaufgefordert ins Land gekommen seien.

Um diese gesichtslose Menge habe man sich eben zu kümmern, wurde damit signalisiert. Man bringe sie unter und versorge sie, vielfach zwar nicht optimal, aber doch. Letzteres stimmt: Traiskirchen ist ein Großlager. Als Heim für Minderjährige, zu dem es nunmehr mangels geeigneterer Jugendquartiere geworden ist, ist es größer als die größten Kinderheime vergangener Jahrzehnte, die es für einheimische Minderjährige gab - und die übrigens als Brutstätten von Gewalt und Übergriffen identifiziert und aufgelassen wurden.

Doch auch abgesehen davon ist ein Massenquartier wirklich das Letzte, was ein allein nach Österreich geflohenes Kind oder ein Jugendlicher brauchen kann. Wer sich mit minderjährigen Schutzsuchenden persönlich unterhält, sich ihre Lebens- und Fluchtgeschichten anhört, wird das rasch verstehen.

Hier handelt es sich um junge Menschen, die sich allein, ohne Schutz erwachsener Angehöriger, bis nach Österreich durchgeschlagen haben. Entkommen sind sie vielfach mörderischen Verhältnissen, haben - meist fluchthelferunterstützt - Minen- und Stacheldrahtgrenzen überwunden, sind, immer noch allein, auf überfüllten Flüchtlingsbooten knapp dem Tod entronnen. 70 Prozent von ihnen sind Burschen aus Afghanistan, aber auch Kinder und Jugendliche aus Syrien und Somalia haben derlei Fluchten nach Europa überlebt. Ihnen gebührt eine rücksichtsvolle Behandlung, so, wie sie traumatisierte "einheimische" Jugendliche bekommen - und sicher keine Quotendiskussion. (Irene Brickner, 6.5.2015)