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Kurdenpräsident Massud Barzani (links) auf dem Weg ins Weiße Haus zu Vizepräsident Joe Biden – und Obama.

Foto: AP/Carolyn Kaster

Washington/Erbil/Wien – US-Präsident Barack Obama wollte ganz klar nicht den Anschein erwecken, dass er den Präsidenten der irakischen kurdischen Regionalregierung, Massud Barzani, wie ein Staatsoberhaupt empfing: Obama habe bei einem Treffen Barzanis mit Vizepräsident Joe Biden im Weißen Haus "vorbeigeschaut", hieß es am Mittwoch. Die Medien durften nicht dabei sein. Barzani absolviert einen einwöchigen Besuch in den USA, wo er sich für die Hilfe beim Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) bedankt und selbst viel Lob für die Rolle der Peschmerga und für die Aufnahme von 1,5 Millionen Flüchtlingen einheimst.

Die Vorsicht Obamas, der Mitte April den irakischen Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi empfing, hat mit der jüngsten Idee des US-Kongresses zu tun: Vor kurzem wurde ein Gesetzesvorschlag vorgelegt, laut dem 25 Prozent der erhöhten Militärhilfe für den Kampf gegen den IS, 715 Millionen US-Dollar, an Bagdad vorbei direkt an Kurden und Sunniten gehen sollen. Auch die 75 Prozent für die irakische Regierung wären an Bedingungen geknüpft und würden bei deren Nichterfüllung zu 60 Prozent zu Kurden und Sunniten umgeleitet.

Was wohl wie Druck auf die irakische Regierung zu mehr politischer Inklusivität und Distanzierung vom Iran aussehen soll, wird als Breitseite gegen die Schiiten insgesamt verstanden. Vor allem sorgte der legistische Trick, mit dem die Umgehung Bagdads ermöglicht werden sollte, für Kopfschütteln: "Die kurdischen Peschmerga, die sunnitischen Stammessicherheitskräfte mit einer nationalen Sicherheitsmission und die irakische sunnitische Nationalgarde müssten als Land angesehen werden", heißt es im Text – worauf irakische Medien verkündeten, dass die USA Kurdistan und "Sunnistan" als Staaten anerkennen würden.

Auch die Erklärung der US-Botschaft in Bagdad, dass es keinerlei Wechsel der US-Politik gebe, die nach wie vor die Einheit des Irak unterstütze und mit Bagdad zusammenarbeite, konnte die Wogen nicht völlig glätten.

Sadr droht den USA

Der zuletzt gemäßigt agierende Schiitenführer Muktada al-Sadr drohte mit der Wiederbelebung seiner Milizen, um US-Ziele anzugreifen. Eine der Kongress-Bedingungen für die Militärfinanzhilfe sollte sein, dass Bagdad die Unterstützung der schiitischen Milizen einstellt – worauf Milizenführer Hadi Al-Amiri ankündigte, seine Volksmobilisierungseinheiten (Hashd al-Shaabi) zur baldigen Befreiung der Provinz Anbar führen zu wollen. Dort hat der IS wieder Zugewinne verzeichnet, was zu Kritik an Abadi und (dem sunnitischen) Verteidigungsminister Khalid al-Obaidi geführt hat.

Die Kurden klagen, von Bagdad nicht zu bekommen, was sie brauchen. Die Forderungen nach einer direkten Waffenhilfe für die Kurden – wie sie auch Deutschland leistet – werden auf dem Tisch bleiben, auch wenn der US-Kongress seinen Gesetzesvorschlag abändert. Das Verhältnis zwischen Bagdad und Erbil, Sitz der kurdischen Regionalregierung, wurde unter Abadi zwar notdürftig repariert, viele Bruchlinien – die Frage nach der Ölautonomie und der Zukunft von umstrittenen Territorien – bleiben jedoch bestehen.

Im August feiert Barzani sein zehnjähriges Jubiläum als Kurdenpräsident, nachdem seine Amtszeit 2013 vom Parlament um zwei Jahre verlängert worden ist – ohne verfassungsmäßige Klärung. Ursprünglich war eine kurdische Verfassung geplant, laut der der Präsident nicht mehr vom Parlament, sondern direkt gewählt wird. Auch sie hätte Barzani, dessen Clan Nepotismus und Korruption vorgeworfen wird, zwei weitere Amtsperioden ermöglicht. Nun gibt es Stimmen, die verlangen, dass Barzani angesichts der Instabilität noch länger bleibt. (Gudrun Harrer, 7.5.2015)