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Das hatte Richard Strauss nicht im Sinn.

Foto: Jim Ross/Invision/AP

Klagenfurt/Wien - Seit ein paar Jahren hat die Wahrnehmungspsychologie ein Maskottchen: den Gorilla. Seine Geschichte begann Ende der 90er-Jahre, als die US-Forscher Daniel Simons und Christopher Chabris für eine Reihe von Experimenten eine Mitarbeiterin im Gorillakostüm durch ein Basketballmatch spazieren ließen. Anschließend fragten sie Probanden, die das Spielgeschehen beobachtet hatten, ob ihnen etwas Besonderes aufgefallen sei. Die Hälfte sagte nein.

2013 legten Psychologen der Harvard Medical School nach und ließen Radiologen Bilder von Lungenscans auf Krebsknötchen durchsuchen. Die überwiegende Mehrheit der Probanden bemerkte nicht, dass ihnen auf einem der Bilder mitten aus der Lunge heraus die Silhouette eines Gorillas freundlich zuwinkte.

Dass etwas so Auffälliges so oft unbemerkt blieb, liegt daran, dass das menschliche Gehirn begrenzte Verarbeitungskapazitäten hat und wahrgenommene Reize selektieren muss. Wenn es mit einer konkreten Aufgabe beschäftigt ist - wie dem Zählen der Ballkontakte im ersten Fall oder der Suche nach Knötchen im zweiten -, dann werden andere Wahrnehmungen ausgeblendet.

Strauss mit Twäng-Faktor

Das Phänomen hat den Namen Unaufmerksamkeitsblindheit erhalten. Und nun haben österreichische Forscher dazu auch eine akustische Entsprechung gefunden, also eine Unaufmerksamkeitstaubheit. Ein Team um Sabrina Lessiak vom Institut für Psychologie der Universität Klagenfurt spielte 115 Probanden "Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss vor - allerdings mit einer kleinen Erweiterung: nämlich einem zwanzigsekündigen E-Gitarren-Solo.

Eine Gruppe von Probanden musste die Anzahl der Paukenschläge zählen, während die Kontrollgruppe ohne Anweisung einfach nur zuhören sollte. Und siehe da: Während 81 Prozent der Kontrollgruppe der neue rockige Einschlag der sinfonischen Dichtung auffiel, bemerkten ihn nur 43 Prozent der Paukenschlagzähler.

Abschwächende Faktoren

Die Wissenschafter unterschieden aber auch zwischen musikalisch vorgebildeten Hörern und Laien. Über die Versuchs- und Kontrollgruppe hinweg nahmen 48 Prozent der musikalischen Laien das Solo wahr. Die Wahrscheinlichkeit erhöhte sich auf 75 Prozent bei Musikern. Die musikalische Vorbildung und Vertrautheit mit dem konkreten Stück erhöhte laut den Klagenfurter Forschern die Chance, den unpassenden Teil zu erkennen.

Dass sich das Phänomen auch bei Musikern zeigte, sei überraschend, wie Lessiak erklärte. Auch bei einer zweiten Einspielung des gleichen Teils des Stückes, bei der das Solo noch klarer und lauter zu hören war, verschwand der Effekt nämlich nicht vollständig. Eine Restmenge an Unaufmerksamkeitstaubheit blieb immer erhalten - ein "akustischer Gorilla". (jdo/APA, 7.5. 2015)