Bild nicht mehr verfügbar.

Am 28. April drang ein 25-jähriger Bosniake in der bosnischen Staat Zvornik in die Polizeistation ein und tötete einen Polizisten. Auch er selbst wurde bei der Schießerei getötet.

Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Manche tragen Splitterschutzwesten und lange Waffen: Eine Woche nach dem Terrorangriff auf eine Polizeistation in Zvornik ist die Polizei im bosnischen Landesteil Republika Srpska noch immer sehr präsent. Bei dem Anschlag hatte der 25-jährige Nerdin Ibrić einen Polizisten erschossen und zwei schwer verletzt. In einem anderen Staat wäre so eine Attacke ein Zwischenfall, in der bosnischen Nachkriegsgesellschaft löste sie Ängste aus und wird politisch instrumentalisiert.

Vor allem, weil es sich um einen islamistischen Anschlag handelte. Ibrić, der zwei Gewehre und eine Pistole bei sich trug, rief "Allahu akbar", während er in die Polizeistation eindrang. Er war laut seiner Mutter in den vergangenen Monaten immer stärker in radikale Kreise geraten und besuchte die wahhabitsche Gruppe in Dubnica. In Bosnien-Herzegowina, wo Bosniaken, Serben und Kroaten leben, sorgte der Anschlag des Bosniaken auch für ethnische Spannungen, die wegen der Kriegserfahrungen leicht aktiviert werden können. Der Innenminister der Republika Srpska, Dragan Lukač, meinte: "Ich fürchte, dass das der Beginn von viel schlimmeren Ereignissen in Bosnien-Herzegowina sein könnte."

Waffen einsammeln

Auch der Geheimdienst OSA warnte, dass es zu weiteren Anschläge kommen könne. Besonders gefährlich ist, dass viele bosnische Bürger illegal Waffen zu Hause haben. Der Bosnien-Experte Tobias Flessenkemper fordert deshalb, dass die internationale Gemeinschaft endlich in der Frage aktiver wird und diese einsammeln lässt. "Das wurde schleifen gelassen. Strukturell ist es in Bosnien-Herzegowina ähnlich wie in den USA, wo jeder sofort eine Waffe haben kann." Wichtig sei auch, dass die Vernetzung zwischen den Sicherheitsbehörden verbessert und die Polizeireform umgesetzt werde.

Der Präsident der Republika Srpska, Milorad Dodik, sieht das anders. Er kündigte an, dass sein Landesteil eigene parallele Sicherheitsbehörden aufbauen und sich aus den gemeinsamen zurückziehen wolle. "Wenn die RS eigene Geheimdienste aufbaut, ist das der erste Schritt zur Teilung des Landes", warnt der politische Analyst Srećko Latal. Er hält die Situation für gefährlich: "Die Führer der drei ethnischen Blocks machen mit ihrer Kriegsagenda weiter." So hat kürzlich die größte serbische Partei, die von Dodik geführte SNSD, beschlossen, 2018 ein Referendum für die Unabhängigkeit der Republika Srpska durchzuführen, obwohl das dem Friedensvertrag von Dayton widersprechen würde.

Gefährliche IS-Rückkehrer

Eine tatsächliche Gefahr in Bosnien-Herzegowina ist der Einfluss der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS). "Es gibt viele Hinweise, dass das nun ein Terroranschlag war, sehr ähnlich zu jenen 20 Anschlägen, die vom IS inspiriert waren und die in vielen Ländern in den vergangenen sechs Monaten ausgeführt wurden. Der letzte etwa in Dallas vor ein paar Tagen", sagt Sicherheitsexperte Vlado Azinović. Etwa 200 Bosniaken sind bisher nach Syrien und in den Irak gegangen, um für den IS zu kämpfen.

Im Zusammenhang mit dem Terroranschlag wurden nun zwei Personen verhaftet – es soll sich um IS-Rückkehrer handeln. "Die Rückkehrer sind ein Sicherheitsproblem, aber was mich viel mehr besorgt, ist der langfristige kulturelle und soziale Einfluss dieser Leute", sagt Latal. "Die Mehrheit der Bosniaken sind noch immer am Westen ausgerichtet. Aber wenn die sich von der EU betrogen fühlen, dann drehen sie sich um Richtung großer Bruder." Tatsächlich nimmt der Einfluss arabischer Investoren im Land zu. Westliche Staaten sind über die Verbindungen der bosniakischen Partei SDA unter Bakir Izetbegović zu Saudi-Arabien besorgt. Izetbegović verurteilte den Terroranschlag übrigens scharf.

Islamistische Kräfte versuchen diesen aber zu relativieren und politisch zu instrumentalisieren. Die Zeitung "Saff" fragte etwa: "Hat Nerdin Ibrić die erste Blutrache in Bosnien-Herzegowina durchgeführt?" Der Hintergrund: Der Vater von Ibrić war Opfer der ethnischen Säuberungen im Jahr 1992 in Zvornik. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 7.5.015)