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Russlands Armee demonstriert ihre Stärke.

Foto: EPA/YURI KOCHETKOV

Tsipras kommt gern, weil er Freunde braucht. Borissow hat keine Einladung erhalten wegen South Stream und so weiter. Erdogan hat eine, ist aber beleidigt und fährt nicht. Die alljährliche Militärparade vor dem Kreml zum Sieg über das faschistische Deutschland am 9. Mai wird etwas dünner besetzt sein, auch wenn es um den 70. Jahrestag geht. Der Westen bleibt aus wegen der De-facto-Annexion der Krim durch Russland und des Separatistenkriegs in der Ukraine, den Moskau unterstützt. Aber das ist nicht alles.

Außenpolitische Zäsur für Bulgarien

Für das Nato- und EU-Mitglied Bulgarien, das immer wieder als Russlands trojanisches Pferd beschrieben wurde, bedeutet die Nichtteilnahme in Moskau eine außenpolitische Zäsur. Das kleine Balkanland wäre gern einmal die 16. Sowjetrepublik geworden (zumindest schlug das Staats- und Parteichef Todor Schiwkow 1973 dem Genossen Breschnew so vor) und hat vor allem unter seinem Millionenvolk von Pensionisten immer noch erhebliche Sympathie für Mütterchen Russland und den "starken Führer" Putin.

Die bulgarischen Sozialisten, die rechtsextremen Antiamerikaner von Ataka und die Oligarchen im Energiegeschäft sind ebenso im prorussischen Lager; aber auch formal konservative Politiker lockt der Rubel, wie das Beispiel der früheren Finanzminister Milen Weltschew (2001–2005) und Simeon Djankow (2009–2013) zeigt, die beide Vorstandsposten bei der zweitgrößten russischen, mehrheitlich staatlichen Bank VTB haben.

Annäherung an die Nato

Doch angeführt von Präsident Rossen Plewneliew und Außenminister Daniel Mitow, einem Rechtspolitiker und früheren Mitarbeiter der Neocon-Denkfabrik National Democratic Institute, den Plewneliew in seiner zweiten Übergangsregierung installierte und der dann auch sein Amt in der gewählten, seit November 2014 amtierenden Koalitionsregierung von Borissow behielt, näherte sich Bulgarien in den vergangenen eineinhalb Jahren wieder deutlich der Nato an.

Plewneliews öffentliche Kritik am South-Stream-Projekt und Russlands Intervention in der Ukraine war so vernehmlich, dass er im Februar dieses Jahres erstmals als Debattenredner zur Sicherheitskonferenz nach München eingeladen wurde. "Wenn wir nicht Geschichte machen, wird sie jemand anders machen", sagte Plewneliew in München; Europa müsse vereint bleiben in seinen "eigenen Werten", Russland habe Schwierigkeiten, sich den Gegebenheiten der Globalisierung anzupassen, und habe die internationale Gemeinschaft in einen "kalten Frieden" gestürzt.

Plewneliew sagte seine Teilnahme am 9. Mai in Moskau ab; Rechtspremier Borissow, der 2010, nach der Unterschrift unter dem South-Stream-Abkommen, den russischen Präsidenten noch mit einem bulgarischen Hirtenhund beglückt hatte, bekam dieses Mal keine Einladung. Im Dezember 2014, bei einem Besuch in Ankara, hatte Putin überraschend das Ende des Gaspipelineprojekts erklärt und dafür den Türken ein Angebot gemacht.

Erdogan überrumpelt

Tayyip Erdogan, ein Gesinnungsfreund autoritärer Staatskunst, war durchaus geschmeichelt vom neuen, allerdings recht teuren Pipelineprojekt durchs Schwarze Meer. Doch Putins Stellungnahme zum 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich am 24. April überrumpelte die türkische Führung. Erst gebrauchte der russische Präsident das Tabuwort "Genozid" in einem Interview, dann reiste er zur Gedenkfeier nach Eriwan statt zu Erdogans Parallelveranstaltung auf Gallipoli an den Dardanellen.

Ein Rückruf des türkischen Botschafters nach einer Resolution der Duma zum Völkermord-Gedenktag wie im Fall Österreichs und des Vatikans war für Ankara dann doch zu riskant; schließlich deckt die Türkei den größten Teil ihres Energiebedarfs durch russische Importe. Aber eine Absage zum 9. Mai soll nun schon sein.

Tsipras und die Aussicht auf Gas

Dafür reist Alexis Tsipras an, Premier und Chef der strammen Imperialismusfeinde von Syriza, die Griechenland regiert. Es wird der zweite Moskau-Besuch innerhalb eines Monats sein. Das linksgedrehte Athen hat neue Sanktionsbeschlüsse der EU gegen Russland verhindert (und dabei als Paravent für andere Bremser wie Österreich und die Slowakei fungiert).

Ein Angebot zur Finanzhilfe hat Tsipras in Moskau im April angeblich nicht erhalten, nur die – recht hypothetische – Aussicht auf knapp 50 Milliarden Kubikmeter Gas, die durch Griechenland gepumpt würden, wenn es denn einmal die neue Pipeline über die Türkei gibt. Für diesen Gastransport könnte Athen dann Anleihen nehmen, schlug Gazprom-Chef Alexej Miller vor. Vielleicht ergibt sich ja vor oder nach der Parade auf dem Roten Platz etwas mehr. (Markus Bernath, 6.5.2015)