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MIT-Forscher Ethan Zuckerman sieht die Demokratie durch sinkende Wahlbeteiligung gefährdet. Das Internet und soziale Medien könnten gegensteuern, meint er.

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Pussyriots im Scheinwerferlicht: Der Auftritt der nun erblondeten Russinnen bei der Republica war zuvor nicht angekündigt worden.

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Vom Treffen von 700 Bloggern im Jahr 2007 entwickelte sich die Republica zur größten Internetkonferenz im deutschsprachigen Raum

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Was als Treffen von 700 Bloggern 2007 in Berlin begann, hat sich zur größten Netzkonferenz in Europa mit mehr als 6000 Teilnehmern entwickelt: die Republica in Berlin. Es ist diese Teilnehmermischung aus Hackern, Aktivisten, Politikern und Managern von großen Unternehmen, die diese Veranstaltung in den ziemlich heruntergekommenen Hallen des ehemaligen Post-Verteilungszentrums am Gleisdreieck in Berlin besonders macht und jedes Jahr mehr Aussteller und Teilnehmer – auch aus Österreich – anzieht.

Politischer Auftakt

Es wird von Jahr zu Jahr voller: auf 17 parallelen Bühnen finden drei Tage lang 450 Veranstaltungen statt. Schon zur Eröffnung am Dienstagvormittag herrschte dichtes Gedränge. Zum Auftakt gab es heuer einen starken politischen Akzent: Es wurde nicht nur über Anliegen der Netzgemeinde wie Massenüberwachung gesprochen, sondern auch über die Probleme von Flüchtlingen.

"Wir befinden uns mit der Republica in einer Stadt, die einst von Mauern umgeben war, welche glücklicherweise eingerissen wurden. Es wird Zeit, dass die neuen Grenzen, die jetzt Europa umgeben und an denen täglich Menschen sterben, ebenfalls fallen", sagte Republica-Mitbegründer Johnny Haeusler. Co-Gründer Andreas Gebhard meinte, Europa müsse seine digitale Rolle erst finden zwischen Hardware aus Asien und Software aus den USA. Markus Beckedahl, Chefredakteur des Blogs netzpolitik.org, forderte ein Ende der "Totalüberwachung" und eine Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung.

Mehr Demokratie-Aktvitäten

Lob gab es gleich anschließend für die europäischen Regierungen vom MIT-Forscher Ethan Zuckerman, dass diese wenigstens etwas für die Privatsphäre tun, "im Gegensatz zu meiner", sagte der US-Amerikaner. Generell sieht er zwar die Demokratie in der Krise und erwartet sich keine politischen Veränderungen durch Protestbewegungen. Er sieht im Internet einen dritten, digitalen Weg, der dazu führen könne, dass sich wieder mehr aktiv in die Politik einmischen.

In vielen Diskussionen am ersten Tag ging es um das Thema Überwachung. Der britische Aktivist Aral Balkan führte aus, dass insbesondere Facebook die Daten seiner User "missbrauche, um Geschäfte damit zu machen". Aber fast jedes Unternehmen, das aus dem Silicon Valley komme, tue dies.

Interesse am BND

Wohl aufgrund der jüngsten Entwicklungen rund um den BND und dessen aktivere Rolle bei der NSA-Überwachung gab es großen Andrang beim Vortrag von Marcel Dickow von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik, der darüber referierte, "wie Geheimdienste Außenpolitik sabotieren". Sein Fazit: "Das Internet ist ein Tool der Überwachung. Wir werden uns darauf einstellen müssen."

Ein deutlich positiveres Bild zeichnete Netflix-Gründer Reed Hastings in seinem gut besuchten Vortrag. Er geht davon aus, dass es in zwanzig Jahren kein herkömmliches, lineares Fernsehen mehr geben wird.

Pussyriots mit Überraschungsauftritt

Die meiste mediale Aufmerksamkeit zogen aber zwei Frauen auf sich, die man auf den ersten Blick gar nicht erkannte: die erblondeten Pussyriots-Aktivistinnen. Die beiden prangerten die Einschränkungen für Performances in Russland an und dass das Internet in Russland überwacht werde – wenn auch nicht so stark wie in China, schränkten sie ein.

Lachen über Strache

Gelacht wurde auch auf der Republica – sogar mit Österreich-Bezug. Bei der Präsentation von TV-Neuheiten aus Europa tauchte die ATV-Sendung "So denkt Österreich" auf, die Gelächter im Publikum auslöste. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kam auf der Republica zu Ehren. Dass er auf eine Meldung des Postillon hereingefallen war, wurde als Beispiel für einen gelungenen Hoax als "Opium für das Empörungsvolk" genannt. Auch die Gebrüder Moped wurden mit einer Plakataktion erwähnt.

Ösis bei Maschek

Für Lachsalven zum Ausklang des ersten Abends sorgten Maschek, die in bekannter Weise den österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer persiflierten, aber auch seinen deutschen Kollegen Joachim Gauck, der jüngst zum 70. Jahrestag der Republiksgründung in Österreich war. Neben anderen Politikern kam auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel vor und Internet-Aktivist Sascha Lobo, der heuer eigentlich der Republica fern bleiben wollte. Da Maschek – Robert Stachel und Peter Hörmanseder –in Deutschland noch keinen so hohen Bekanntheitsgrad haben, war bei deren Auftritt die riesige Halle nicht besonders dicht gefüllt, aber die Ösi-Dichte sehr hoch. (Alexandra Föderl-Schmid aus Berlin, 5.5.2015)