Salzburg - Nachdem der Anfang März veröffentlichte Evaluierungsbericht der Neuen Mittelschule (NMS) die schulpolitischen Wogen hochgehen ließ, diskutierte dessen Autor Ferdinand Eder am Montagabend an der Uni Salzburg selbst die Ergebnisse.

Der Erziehungswissenschafter, der mit der Untersuchung der ersten beiden NMS-Jahrgänge federführend beauftragt war, zeigte sich enttäuscht über die undifferenzierte mediale Rezeption seiner Studie. Die Mehrheit hätte sich nur die Rosinen herausgepickt, um die Neue Mittelschule entweder positiv oder negativ darzustellen, kritisierte Eder.

Bei der anschließenden Präsentation der Ergebnisse der Evaluation vor zahlreichen Studenten, Lehrern und Kollegen bewies Eder Fingerspitzengefühl. Dies war auch nötig, denn allzu viele signifikante Effekte des Konzepts der Neuen Mittelschule im Vergleich zur Hauptschule zeigten sich nicht. Im Modellvergleich schnitt die NMS zwar im Bereich der Schulkultur besser ab als die Hauptschule, beim Lernniveau und den Leistungen zeigten sich hingegen nur schwache positive oder keine Effekte.

Bei der Betrachtung der Ergebnisse müsse man bedenken, dass nur die ersten beiden Jahrgänge der NMS evaluiert wurden, sagte Eder. Von Jahr zu Jahr seien die Lehrer besser mit dem Konzept umgegangen. Bei späteren Jahrgängen hätte es ganz andere Ergebnisse gegeben, sagte der Forscher, der an der Universität Salzburg tätig ist. Seiner Ansicht nach sei die NMS überhaupt zu früh und mit zu wenig Vorbereitung als Regelfall eingeführt worden.

Entscheidend sei auch, inwiefern die Merkmale der Neuen Mittelschule in den untersuchten Klassen bereits implementiert seien, betonte Eder. Der Grad der Umsetzung habe Einfluss auf die fachliche Leistung der Schüler. Die sogenannten Modellklassen, in denen das Konzept der neuen Mittelschule bereits umfassend umgesetzt wurde, hätten in allen Fächern gut erkennbare positive Effekte im Vergleich zur Hauptschule aufgewiesen. Die sogenannten Traditionsklassen, die zwar NMS heißen, im Wesentlichen jedoch weitergemacht haben wie zuvor, hätten hingegen tendenziell keine oder latent negative Effekte aufgewiesen.

Unerwartet für den Forscher war das fast völlige Fehlen von bedeutsamen Effekten im überfachlichen Bereich, etwa dem sozialen Zusammenleben. Zudem, dass sich das Befinden der Schüler im Vergleich zur Hauptschule nicht signifikant verändert habe und dass die schwächeren Schüler nicht - wie angenommen - die Profiteure des Lehrkonzepts sind, sondern die guten Schüler. Eders abschließendes Fazit fiel vorsichtig positiv aus: "Mit einem gewissen Optimismus kann man aus den Daten schließen, dass an dem Konzept der Neuen Mittelschule etwas dran ist."

Eder plädiert für eine Fortführung der begleitenden Forschung zur Neuen Mittelschule. "Wir brauchen nach einer Zeit wieder eine Evaluation, um zu prüfen, ob sich die geringen positiven Effekte fortsetzen." Wünschenswert seien ein regelmäßiges Monitoring, Wirkungsanalysen etwa zum Teamteaching und breit angelegte Interventionsstudien.

Sein Kollege und Leiter der Abteilung Bildungswissenschaften an der School of Education Salzburg, Franz Hofmann, beschrieb die Evaluation als "bildungs- und parteipolitisch aufgeladene Aufgabe" und als einen "bis in die Formulierung reichenden Balanceakt". Eder hätte die Aufgabe gehabt, die Ergebnisse so zu kommunizieren, dass eine konstruktive Weiterarbeit möglich sei. (Stefanie Ruep, 6.5.2015)