Tel Aviv -In ein Wespennest hat die israelische Soziologin Orna Donath gestochen mit ihrer Studie zu Frauen, die ihre Mutterrolle bereuen. Mit dem Hashtag #RegrettingMotherhood toben auf sozialen Netzwerken seit Wochen heftige Debatten über das stark emotionsbehaftete Thema.

Auf der einen Seite stehen Frauen, die erleichtert sind, auch negative Gefühle gegenüber dem Thema Muttersein offen aussprechen zu können. Aus der anderen Ecke kommt teils harte Kritik an angeblich "weinerlichen" Müttern.

"Irgendwie merkwürdig"

Donath selbst zeigt sich überrascht über die hohen Wellen, die ihre kleine Studie schlägt. "Ich freue mich, aber es ist irgendwie auch ein bisschen merkwürdig", sagte die 39-Jährige. "Ich habe das Gefühl, dass gerade etwas sehr Großes passiert." Eine Erklärung dafür, warum ihre Untersuchung ausgerechnet im deutschsprachigen Raum eine so starke Resonanz findet, hat sie nicht - in ihrem Heimatland Israel seien die Reaktionen deutlich schwächer ausgefallen.

Donath hat für ihre Studie unter dem Titel "Regretting motherhood" (Mutterschaft bereuen) in den Jahren 2008 bis 2011 insgesamt 23 israelische Mütter befragt. Die jüdischen Frauen aus verschiedenen sozialen Schichten waren im Alter von Mitte 20 bis Mitte 70 - einige davon auch schon Großmütter. Sie hatten alle gemeinsam, dass sie es bereuen, Mutter geworden zu sein. Die echten Namen der Frauen wurden in der Studie nicht genannt.

Die meisten Mütter betonten, dass sie zwar ihre Kinder liebten, aber die Mutterschaft hassten. Eine Frau sagte, sie habe bereits wenige Wochen nach der Geburt ihre Situation als "Katastrophe" empfunden: "Es war der schlimmste Albtraum meines Lebens."

Akzeptierte Kinderlosigkeit

Für ihre Studie hat Donath nur Frauen ausgewählt, die auf folgende Frage mit einem klaren Nein antworteten: "Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten, mit Ihrem heutigen Wissen und Ihrer Erfahrung, würden Sie dann noch einmal Mutter werden?" Es geht ihr dabei ausdrücklich nicht um Frauen, die mitunter negative Gefühle ihren Kindern gegenüber haben - sondern um echte, über Jahre anhaltende Reue und den Wunsch, die Uhr zurückzudrehen. Viele der Mütter in der Studie beschreiben das Gefühl, durch die Kinder ihr Leben, ihre Autonomie und ihre Identität verloren zu haben.

In Israel wird bis heute Bedauern und Reue eher von Frauen jenseits der Wechseljahre erwartet, die sich gegen eine Mutterschaft entschieden haben. "Seid fruchtbar und mehret euch" ist eine der wichtigsten Maximen der jüdischen Tradition. "Obwohl Mutterschaft mit so viel Unsicherheit verbunden und nicht rückgängig zu machen ist, ist der kulturelle Zwang zum Kinderkriegen in Israel enorm", schreibt Donath in der Untersuchung.

In Deutschland sei die Entscheidung gegen Kinder stärker gesellschaftlich akzeptiert, sagt die Soziologin. "Aber über Reue zu sprechen, wenn man bereis Kinder bekommen hat, das ist offenbar (in Deutschland) ein sehr empfindlicher Punkt." Letztlich sei ein solches Eingeständnis aber in allen Kulturen stark tabuisiert.

Donath erhofft sich jedoch von ihrer Studie und der öffentlichen Debatte über das Thema ein Umdenken. Und, dass der Drucks auf Frauen nachlässt: "Es muss über die Möglichkeit gesprochen werden, dass die Mutterschaft nicht alle glücklich macht", sagt die Israelin, die sich selbst gegen Kinder entschieden hat. "Man sollte auf die Frauen vertrauen, dass sie wirklich selbst wissen, ob sie in der Lage sind Mütter zu werden oder nicht." (APA, dpa)