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Im Kreißsaal des Universitätsklinikums in Leipzig hört eine Hebammenschülerin die Herztöne bei einer Schwangeren mit einem Hebammenstethoskop (Pinard-Rohr) ab,

Foto: APA/Waltraud Grubitzsch

Die vierfache Mutter Margo Strobl will andere Mütter motivieren, beim Thema Geburt "mündig" zu werden.

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In den letzten Jahren ist die Zahl der durchgeführten Kaiserschnitte in Österreich beträchtlich gestiegen. 1995 wurden 13,1 Prozent der Geburten mittels Kaiserschnitt durchgeführt – 2014 wurde bereits jedes dritte Kind mittels Kaiserschnitt geboren. Die Tendenz ist weiterhin steigend. Margo C. Strobl ist Mutter von vier Kindern. Sie hat ein Buch zum Thema Geburt verfasst. Darin will sie Frauen zur "natürlichen Geburt" ermutigen. Mit derStandard.at sprach sie über die Bedeutung von Hebammen bei der Geburt, "bequeme Ärzte", die das "Handwerk", komplizierte Geburten durchzuführen, zunehmend verlernen.

derStandard.at: Im Titel Ihres Buches verraten Sie, dass Sie sich vor der Geburt Ihres ersten Kindes einen Kaiserschnitt gewünscht haben, schließlich brachten Sie Ihr Kind doch spontan zur Welt. Wie kam es dazu?

Strobl: Der Grund, dass ich mir nur einen Kaiserschnitt vorstellen konnte, waren viele Mythen und viele Ängste. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich ein Kind gebäre könnte. Mit 25 Jahren wurde ich zum ersten Mal schwanger. Ich begann mich mit der Geburt intensiv zu beschäftigen und habe viele Bücher von Hebammen gelesen, schließlich ist mir der Knopf aufgegangen. Ich erkannte: Ich will eine selbstbestimmte Geburt. Denn den "sanften Kaiserschnitt" gibt es nicht, es ist eine schwere Operation. Für Ärzte ist er bequem, man kann ihn so wunderbar planen.

derStandard.at: Wodurch hat sich Ihre selbstbestimmte Geburt ausgezeichnet?

Strobl: Ich habe einen Geburtsplan verfasst und damit bin ich in die Klink gegangen. Dort stand genau drauf, welche Vorgangsweise ich mir wünsche – nur Eingriffe und Interventionen, wenn es zu wirklichen Komplikationen kommt. Und ich war sehr zufrieden, wie motiviert die Geburtshelfer waren. Es war ein sehr kraftvoller Akt, die Pressphase dauerte über drei Stunden. Ohne Geburtsplan hätte ich sicherlich nicht diese Zeit bekommen. Eine selbstbestimmte Geburt ist nur dann möglich, wenn sich Frauen selbst gut kennen und/oder sich umfassend informieren. Wenn wir Mütter werden, ist es sehr wichtig, dass wir auch mündig sind in der Frage der Geburt.

derStandard.at: Warum sind viele Frauen aus Ihrer Sicht nicht mündig, wenn es ums Gebären geht?

Strobl: Es existieren viele Ängste und Missverständnisse, sie verhindern eine sachliche Herangehensweise an das Thema. Die Geburt ist ein wichtiger Tag für eine Frau, und deshalb sollte man auch nichts dem Zufall überlassen. Meine Geburten waren alle sehr schwierig, aber auch sehr schön. Mir hat es geholfen, dass ich mich umfassend informiert habe. Mir wurde immer zu einem Kaiserschnitt geraten, weil es hieß, meine Geburtswege seien zu eng. Ich habe viele absurde Situationen erlebt, und dennoch meine vier Kinder wunderbar aus eigener Kraft geboren.

derStandard.at: Was war absurd?

Strobl: Ich war zwei Wochen vor dem Geburtstermin meines dritten Kindes im Krankenhaus zur Kontrolle. Mein Sohn wog 3.700 Gramm. Die Frauenärztin hat gemeint: Der kommt da nie raus. Eine Hausgeburt sei unmöglich. Sie flehte mich an, einen Kaiserschnitt machen zu lassen. Sie schlug mir vor, die Operation noch in den nächsten drei Stunden durchzuführen. Ich war entsetzt und verunsichert. Dann hat sie mir ihre Kaiserschnittnarbe gezeigt – um zu demonstrieren, dass man bei ihr fast nichts mehr sah. Dabei beeindruckte mich der kosmetische Aspekt dabei überhaupt nicht.

derStandard.at: Wie ist es Ihnen gelungen, sich von den ärztlichen "Ratschlägen" abzugrenzen?

Strobl: Meine Hebamme, die mich schon bei zwei Kindern zuvor begleitet hat, hat mich gestärkt. Wir Frauen sind, solange wir gesund sind, zum Gebären wunderbar geeignet. Frauen müssen sich selbst genau anschauen, was sie brauchen und was ihnen gut tut.

derStandard.at: Was ist besser an einer Spontangeburt als an einer Sectio?

Strobl: Es ist für die Mutter besser und für das Kind. Die Menschen sind viel zu wenig darüber aufgeklärt, welche Komplikationen bei einem Kaiserschnitt passieren können. Es sind tatsächlich schwierige Stunden, die Geburt ohne Schmerzmittel durchzustehen. Doch ein Kaiserschnitt ist sicherlich auch nicht schonender. Ich möchte allerdings klar betonen: Es ist aus meiner Sicht kein Versagen der Frauen, wenn sie einen Kaiserschnitt machen.

derStandard.at: Wessen Versagen ist es?

Strobl: Das zwanghafte Kontrollsystem ist daran schuld. Wenn eine Frau ein Kind kriegt, ist sie nicht krank. Was macht sie also in einem Krankenhaus? In Krankenhäusern werden leider oft prophylaktisch Aktionen gesetzt, die dem natürlichen Geburtsverlauf nicht zuträglich sind. Im Gegensatz zu vielen Ärzten sind Hebammen Beobachterinnen und Begleiterinnen. Viele Ärzte können etwas kompliziertere Geburten gar nicht mehr auf natürlichem Wege durchführen, weil sie das Handwerk verlernt haben. Die Angst ist wohl hier das größte Problem.

derStandard.at: Bei Geburten kann es zu medizinischen Notfällen kommen, die auch das Kind betreffen. Als Gebärende zu Hause mussten Sie sich bestimmt öfters sagen lassen, das sei verantwortungslos.

Strobl: Oh ja, das stimmt. Auf viele Komplikationen kann man sich schon im Vorfeld vorbereiten. Hebammen sind im Grunde so gut ausgebildet, dass sie erkennen, wann eine Gefahr besteht. Und: Ich finde es schon gut, wenn das Krankenhaus in der Nähe ist.

derStandard.at: Auf Ihrer Website outen Sie sich selbst als Langzeitstillerin. Die französische Feministin Élisabeth Badinter sagt ich ihrem Buch "Der Konflikt", dass Frauen anderen Frauen mit ihrem "Still-Terror" großen Stress machen. Laufen Sie nicht Gefahr, mit Ihrem Buch in diesem Sinne bevormundend zu wirken?

Strobl: Muttermilch ist das Beste, was man seinem Kind schenken kann, denn es gibt keinen adäquaten Muttermilchersatz. Stillen muss man lernen, es gibt so manche Hürde zu überwinden. Doch da ist die gute Hebamme, die eine Frau unterstützt. Gebären können Frauen, aber stillen muss man lernen. Es lohnt sich, ein paar Wochen dabei zu bleiben, damit es in Schwung kommt. Wenn dies so geschieht, muss jede Mutter die Vorzüge erkannt haben. Und warum soll sie früher aufhören, wenn sich alles gut eingespielt hat? Niemals sollten sich junge Eltern von den Meinungen anderer umstimmen lassen. Wenn es sich gut und richtig anfühlt, dann ist Frau auf dem richtigen Weg. Mutter sein ist kein Spaziergang. Und der einfache Weg ist nicht immer der richtige.

derStandard.at: Befürchten Sie nicht, dass sich Frauen, die nicht stillen oder einen Kaiserschnitt hatten durch ihre Thesen bevormundet oder verletzt fühlen?

Strobl: Nun, ich kann nur von meiner Erfahrung berichten. Wie es bei der jeweiligen Frau ankommt, kann ich nicht beeinflussen. Es ist auf jeden Fall nicht meine Absicht, jemanden abzuwerten oder zu verletzten. Die eine oder andere hat vielleicht die Möglichkeit, sich das bei einer nächsten Schwangerschaft noch einmal anzuschauen. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 5.52015)