Heidelberg – Mit neuen Methoden der Probenaufbereitung ist es Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Heidelberg gelungen, beim Knochenkrebs "Osteosarkom" bestimmte Immunzellen im Tumorgewebe unter dem Mikroskop sichtbar zu machen und deren Einfluss auf Aggressivität der Erkrankung und Erfolgsaussichten der Therapie zu zeigen.
Damit steht den Medizinern ein neuer Biomarker zur Verfügung, mit dem sie für jeden Patienten bereits zum Zeitpunkt der Diagnose den Krankheitsverlauf besser einschätzen können.
Gefäße und Immunzellen untersuchen
Das Osteosarkom ist die häufigste primäre Krebserkrankung des Knochens und betrifft vor allem Kinder und Jugendliche. Die meisten Osteosarkome wachsen und streuen sehr schnell. Bislang erhalten alle Patienten eine Behandlung aus Chemotherapie und Operation. Trotz intensiver Forschung konnten in den letzten drei Jahrzehnten keine neuen Therapieoptionen gefunden werden, die zu einer wesentlichen Verbesserung der Überlebenschance für Osteosarkompatienten geführt hätten.
Da die Knochenkrebszellen sich sehr stark voneinander unterscheiden, hatten Pierre Kunz, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg, und Kinderarzt Benedikt Fritzsching die Idee, nicht die Tumorzellen selbst, sondern deren Umfeld – also Gefäße und Immunzellen – zu untersuchen.
Köpereigenes Abwehrsystem ist Schutzschild für Krebs
Über die Rolle des körpereigenen Immunsystems beim Osteosarkom war bislang wenig bekannt. Nicht zuletzt deshalb, weil es sehr schwierig ist, wichtige Immunzellen bei diesem Knochenkrebs mikroskopisch nachzuweisen. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich das Osteosarkom – wie bereits von anderen Krebsarten bekannt – das Immunsystem des Körpers zunutze macht.
Im Tumor stehen sich verschiedene Arten von Immunzellen gegenüber: Zum einen Immunzellen, die entartete Krebszellen erkennen und sie zerstören. Zum anderen schützt sich der Tumor, indem er gezielt Immunzellen anlockt, die diese Abwehrreaktionen des Körpers hemmen. Die Forscher fanden heraus, dass sich aus dem Verhältnis beider Zellsorten in der Gewebeprobe Aussagen über Aggressivität der Erkrankung und Therapieerfolg treffen lassen.
"Die Rolle des körpereigenen Immunsystems im Osteosarkom ist größer als bislang angenommen. Hier könnte sich ein beim Osteosarkom bisher ein kaum beachtetes Therapiefeld eröffnen", meint Pierre Kunz.
Gewebeproben für mikroskopische Untersuchung
Medikamente, die gezielt Abwehrreaktionen des Körpers stärken oder vom Tumor genutzte, hemmende Immunzellen schwächen, gibt es bereits und werden bei anderen Krebserkrankungen erfolgreich eingesetzt. "Inwiefern solche Immuntherapien auch Osteosarkom-Patienten helfen können, müssen umfangreiche Studien in der Zukunft noch zeigen."
Um die Gewebeprobe eines Osteosarkoms unter dem Mikroskop untersuchen zu können, muss das knöcherne Material mit speziellen chemischen Verfahren aufbereitet werden. "Wendet man die herkömmliche Verfahren zur Aufbereitung der Biopsien an, bleiben wesentliche Immunzellen unsichtbar", erklärt Kinderarzt Kunz.
Aufwendige Analyse
Dem Forscherteam ist es nun gelungen, die Proben so aufzubereiten, dass sich die vom Tumor genutzten, hemmenden Immunzellen unter dem Mikroskop erkennen lassen. "Jetzt können wir diese und andere Immunzellen anfärben, verschiedene Arten unterscheiden und quantifizieren", betonen die Forscher.
Zudem wählten die Wissenschaftler den aufwendigen Weg einer sogenannten "Whole-Slide Analyse", bei der sie die gesamte Gewebeprobe von ein bis zwei Quadratzentimetern analysieren, anstatt wie sonst üblich nur einen sehr kleinen Anteil. "Das Osteosarkom ist ein sehr heterogener Tumor – prüft man nur einen sehr kleinen Ausschnitt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieser gar nicht repräsentativ für den ganzen Tumor ist", ergänzt Kunz. (red, 5.5.2015)