Nerven wie Bungeeseile: Furchenwale (im Bild ein erwachsener Blauwal).

Foto: NOAA

Furchenwale öffnen ihr Maul extrem weit, um große Mengen Wasser in aufzunehmen. Mit der Zunge drücken sie dieses dann durch ihre Barten wieder aus dem Maul und filtern so Krill und Plankton heraus.

Foto: Vogl et al./Current Biology 2015

Vancouver - Furchenwale haben keine Nerven wie Drahtseile, sondern eher wie Gummi – zumindest in ihrem Maul und in der Zunge: Die Tiere können die Länge dieser Nerven ohne Probleme verdoppeln und sie anschließend wieder zusammenziehen. Das kommt den Meeresgiganten bei der Nahrungsaufnahme zugute, wie Forscher der kanadischen Universität von British Columbia (Vancouver) im Journal "Current Biology" berichten.

Die Wissenschafter vermuten, dass solche Nervenstränge auch bei anderen Tieren vorhanden sein könnten, etwa bei Fröschen. Nerven sind eigentlich nicht dafür bekannt, sehr dehnbar zu sein. Überdehnungen gehören sogar zu einer häufigen Form der Nervenschädigung beim Menschen.

Angepasste Nervenstruktur

Furchenwalen (Balaenopteridae), zu denen auch Finn- und Blauwale zählen, verschafft die Elastizität ihrer Nerven offenbar einen evolutionären Vorteil. Diese Tiere öffnen ihr Maul extrem weit, um große Mengen Wasser in ihrem Kehlsack aufzunehmen, der an einen riesigen Ballon erinnert. Mit der Zunge drücken sie das Wasser dann durch ihre Barten wieder aus dem Maul und filtern so Krill und Plankton heraus. Das Volumen des Wassers, das mit einem Schluck aufgenommen wird, kann dabei das Volumen des Wals selbst übertreffen.

Für diese Art der Nahrungsaufnahme haben die Furchenwale eine anatomisch angepasste Zunge und Fettschicht (Blubber) im Bereich des Mauls. "Wir erkennen nun, dass auch die Struktur der Nerven in diesen Geweben daran angepasst ist", erklärte der Biologe Wayne Vogl. Diese spezifischen Nerven könnten demnach hilfreich für die Entwicklung der riesigen Körpers jener Walarten gewesen sein.

Zufällige Entdeckung

Die Entdeckung machte das Forscherteam nach eigenen Angaben eher zufällig: Einem der beteiligten Wissenschafter fiel im Labor eine matt-weiße, schnurartige Struktur auf, die von einem Finnwal (Balaenoptera physalus) stammte und sich dehnen ließ. Zunächst dachten die Biologen, dass es sich um Blutgefäße handelte, stellten dann aber fest, dass sie Nervenstränge in den Händen hielten.

"Diese langen Nerven dehnen und ziehen sich zusammen wie Bungeeseile", beschrieb Vogl. Bei genauerer Untersuchung stellten die Forscher fest, dass die Nervenfasern den Kern der Stränge bilden und sich nicht dehnen, sondern vielmehr entfalten. Um die Nervenfasern befindet sich wiederum eine sehr dicke und dehnbare äußere Wand elastischer Fasern, die aus Kollagen und Elastin besteht. Reißt der Wal nun sein Maul auf, entfalten sich die Nervenfasern im Kern des Strangs, während sich die elastischen Fasern darum dehnen.

Die Wissenschafter vermuten nun, dass diese Art der Nervenstränge auch bei anderen Tieren vorkommt, etwa bei Fröschen mit aufblasbaren Kehlsäcken oder Chamäleons mit langen und schnellen Zungen. Sie wollen nun untersuchen, wie der Nervenkern sich so schnell entfalten und wieder zusammenfalten kann. "Unsere Entdeckung macht deutlich, wie wenig wir über die Anatomie der größten Meeresbewohner wissen", betonte der an der Studie beteiligte Meeresbiologe Nick Pyenson. (APA/red, derStandard.at, 10.5.2015)