Griechenlands erster Regierungschef der radikalen Linken: Alexis Tsipras (40) unterwegs im Parlamentsgebäude in Athen. Seine Partei stemmt sich weiterhin gegen Sparauflagen der Kreditgeber.

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Mit der erlösenden Einigung über die Finanzhilfe wird es zum ersten kleinen Jubiläum nichts werden: Alexis Tsipras ist mit Dienstag 100 Tage im Amt, und in Brüssel wird weiterverhandelt. "Intensiv", wie am Montag ein Sprecher der EU-Kommission mitteilte. Die Eurofinanzminister wollen bei ihrem nächsten Treffen am 11. Mai die Bedingungen für die Fortführung der Finanzhilfe an Griechenland dann wieder genauer betrachten.

Seit August 2014 hat Athen keine Kreditzahlung mehr erhalten, lange vor dem historischen Machtwechsel im vergangenen Jänner. Darauf weist die Koalition der radikalen Linken nun gern hin, die erstmals im Land regiert und sich nach wie vor gegen die Sparauflagen der Kreditgeber stemmt. "Jeder hat auf die Kehrtwende gewartet, aber sie kam nicht", sagt ein Vertreter der "Institutionen" in Athen, der Troika von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, die nun so nicht mehr heißt, um den politischen Bruch zu markieren: die Zeit vor und nach dem Regierungsantritt von Tsipras und seiner Linkspartei Syriza.

Die prinzipielle Einigung in der Eurogruppe am 20. Februar hatten viele als das Einknicken der linken Sparkursgegner verstanden. Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis hatten die Fortführung der Finanzverhandlungen auf Basis der bisherigen Kreditvereinbarungen akzeptiert. Doch in Wahrheit war alles komplizierter. "Wir haben einen Fehler gemacht", sagte bald schon Euklid Tsakalotos, der Vizeaußenminister, der nun die Kreditverhandlungen koordiniert: Die griechische Regierung hätte sich nicht auf die mündlichen Zusagen verlassen sollen, die Jeroen Dijsselbloem, der Eurogruppenchef, und Mario Draghi, der Direktor der EZB, gegeben hätten. Athen fühlt sich von ihnen verraten.

Weigerung der EZB

Sobald es eine grundsätzliche Einigung über Finanzreformen gäbe, würde die EZB wieder griechische Staatsanleihen als Sicherheiten akzeptieren und griechische Banken mit Krediten versorgen, so sei Tsipras und Varoufakis versprochen worden. "Die EZB jedoch hat die Abmachung vom 20. Februar nicht als eine solche grundsätzliche Einigung akzeptiert. Wir dachten und denken weiterhin, dass dies eine ausreichende Basis ist", erklärt der Mitarbeiter eines griechischen Ministers, der an den Finanzverhandlungen beteiligt ist.

Über die Auszahlung der letzten Kreditrate von 7,2 Milliarden Euro aus dem Finanzhilfeprogramm von 2012 wollte die Linksregierung gar nicht verhandeln; sie dachte weiter an ein Überbrückungsabkommen bis zum Juni. Die Meinungsverschiedenheiten seien nur größer, nicht kleiner geworden, sagt deshalb auch der Vertreter der Kreditgeberseite, der ungenannt bleiben will, über die ersten drei Monate mit Tsipras.

Vernichtendes Urteil

Privat befragt, fällt das Urteil der Gläubiger über die Reformlisten, die Athen bisher präsentierte, vor allem die jüngste vom März, vernichtend aus: unvollständig, zu allgemein, bestenfalls Maßnahmen, die wenig Geld und dies nur langfristig einbringen. Auf Syriza-Seite klagt man über Illoyalität im Beamtenapparat und den unfairen Verhandlungsstil der Kreditgeber: "Sie jagen uns mit Ultimaten und spiegeln uns Kompromisse vor." (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 5.5.2015)