Bild nicht mehr verfügbar.

Im Lesesaal der Universität Wien gibt es (noch) keine digitalen Leseplätze.

Foto: apa/Hochmuth

Wien – Die Worte "nicht verfügbar" können Studierende zur Verzweiflung treiben. Oft sind Bücher, die für eine Prüfung oder Seminararbeit nötig sind, an der Universitätsbibliothek vergriffen. Wartezeiten von mehreren Wochen sind dann keine Seltenheit. Dabei gibt es eine einfache Möglichkeit, der großen Nachfrage besser nachzukommen: elektronische Leseplätze. Diese sind im Gegensatz zu Deutschland in Österreich nicht möglich. Die Grünen und Alternativen StudentInnen (Gras) fordern eine Änderung des Urheberrechts.

In Deutschland hat der Bundesgerichtshof vor kurzem entschieden, dass die Technische Universität Darmstadt Bücher an elektronischen Leseplätzen anbieten darf. Der Eugen-Ulmer Verlag hatte dagegen geklagt, dass die Universität Plätze einrichtet, damit die Studierenden dort Bücher digital lesen, teilweise ausdrucken und auf USB-Sticks zur Forschung und für private Studien abspeichern können. Der Bundesgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Eine Einschränkung gibt es aber: Die Studenten dürfen nur so viele digitale Kopien gleichzeitig einsehen, wie es gedruckte Ausgaben im Bestand der Bibliothek gibt.

EuGH-Entscheidung

Das deutsche Gericht hatte vor seinem Urteil den Europäischen Gerichtshof um Klarstellungen zur Auslegung einer Richtlinie zum Urheberrecht gebeten. Auch der EuGH sieht es als zulässig an, dass die Gesetze eines Mitgliedsstaates erlauben, dass eine Bibliothek ein Lehrbuch digitalisiert und den Studierenden zur Benutzung zur Verfügung stellt.

Möglich macht diese liberale Regelung das deutsche Urheberrecht. Darin wird die "öffentliche Zugänglichmachung" für Unterricht und Forschung ebenso gestattet wie die Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven. Die Einschränkung: Die Leseplätze dürfen keinen unmittelbar oder mittelbar wirtschaftlichen oder Erwerbszweck verfolgen. In Österreich gibt es eine solche Regelung nicht. Bibliotheken dürfen lediglich Bild- oder Schallträger öffentlich zugänglich machen.

"Nach geltender österreichischer Rechtslage lässt sich daher ein elektronischer Zugang zu Lehrbüchern zurzeit nur im Rahmen von Verträgen mit den Verlagen bewerkstelligen. Das heißt, gegen ein zusätzliches Entgelt", heißt es dazu von der Universität Wien, die derzeit ihren Lehrenden und Studierenden wissenschaftliche Literatur teilweise auch über Online-Zugänge ermöglicht.

Uni Wien für Änderung

Für die Universität wäre eine Änderung des österreichischen Urheberrechts "durchaus erstrebenswert", heißt es in der Stellungnahme. "Illusionen darf man sich aber keine machen." Schließlich sei auch die Digitalisierung von Büchern nur durch ein Entschädigungsentgelt zulässig.

Ebenfalls eine Änderung des Urheberrechts fordern die grünen Studierendenvertreter der Gras, die sich im ÖH-Wahlkampf für günstigere Lehrmittel einsetzen. Derzeit müssten viele Studierende Lehrbücher oder Skripten kaufen, was einen "erheblichen Kostenaufwand" von bis zu mehreren hundert Euro bedeuten würde, sagte Spitzenkandidatin Meryl Haas zu derStandard.at. Mit der Digitalisierung von Lehrunterlagen will die Gras auch gegen die "Kommerzialisierung von Bildung" vorgehen.

Gras: Lehrmaterialien allen zugänglich machen

"Es ist nicht einzusehen, warum Bücher, die in einer Universitätsbibliothek vorhanden sind, nicht allen zugänglich sein können", sagt Haas. Sie fordert, dass an Hochschulen von allen Lehr- und Lernmaterialien digitale Kopien gemacht und verbreitet werden dürfen. Haas erwartet sich, dass es bald zu einer gesetzlichen Änderung kommt.

Tatsächlich verhandelt Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) derzeit mit Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) eine Reform des Urheberrechts. Ob auch die Digitalisierung von Büchern in Bibliotheken möglicht gemacht wird, will man in beiden Ressorts noch nicht sagen. Grundsätzlich würden die Verhandlungen – bei denen es hauptsächlich um eine mögliche Festplattenabgabe geht – sehr gut laufen. (Lisa Kogelnik, derStandard.at, 5.5.2015)