Gehtraining eines querschnittsgelähmten Patienten im Uniklinikum Bergmannsheil, Bochum

Foto: Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil gmbh, bochum

München - Insekten, Spinnen und Krebse machen vor, dass Außen- oder Exo-Skelette ein erfolgreiches Fortbewegungskonzept sein können. Seit kurzem bieten Hersteller mechanische Exo-Skelette für Querschnittgelähmte an, die sogar Bewegungsimpulse lesen und ausführen können. Vereinzelt kommen die Gehroboter in Reha-Kliniken schon zum Einsatz.

Leistungsstärkere Computer und ausgefeiltere Elektromotoren könnten dazu führen, dass sie bald auch im Alltag auftauchen, erklärte ein Experte auf der Eröffnungs-Pressekonferenz des 132. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). Momentan sind die Gehroboter jedoch noch nicht praxistauglich, so Experten.

Noch nicht alltagstauglich

"Insgesamt vier Exo-Skelette verfügen derzeit über ein CE-Zertifikat", berichtet DGCH Präsident Peter M. Vogt. Die Hersteller dürfen sie damit in Europa vertreiben. "Doch niemand, der nach einem Unfall oder aufgrund eines Schlaganfalls gelähmt ist, konnte deshalb bisher auf den Rollstuhl verzichten", ergänzt Michael Nerlich, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Die derzeitigen Exo-Skelette sind nach Einschätzung des Experten noch nicht alltagstauglich.

Das Exo-Skelett Rex sei mit knapp 40 Kilo Gewicht zu klobig. "Die Bewegungen, die der Patient mit einem Joystick steuert, sind schwerfällig", erklärt Nerlich. Die Modelle Ekso und Re-Walk seien mit 23 und 20 Kilogramm schon wesentlich leichter. Doch die Steuerung, die durch Bewegungen von Oberkörper oder der Hüfte erfolgt, falle den gelähmten Patienten schwer. "Eine Fortbewegung ohne Rollatoren ist mit diesen beiden Exo-Skeletten nicht möglich", so Nerlich.

Neuronale Steuerung

Auch für HAL, mit einem Gewicht von 14 bis 17 Kilo das derzeit leichteste Exo-Skelett, benötigt der Patient äußere Hilfsmittel. Dennoch ist HAL – das Kürzel steht für "hybrid assistive limb" – für Chirurg Thomas Schildhauer zukunftsweisend: "HAL ist das erste Exo-Skelett mit neuronaler Steuerung. Die Patienten tragen Elektroden auf der Haut, die elektrische Signale der teilweise gelähmten Muskeln auffangen und in die beabsichtigte Bewegung des Exo-Skeletts umsetzen."

Während bei den anderen Exo-Skeletten nur fest einprogrammierte Bewegungen gestartet oder gestoppt werden, könne der Patient mit HAL aktiv in die Kontrolle der Bewegungen eingreifen. "Mit HAL kann der Patient erstmals Hindernisse bewältigen und sogar rückwärtsgehen", berichtet Schildhauer, der in Bochum bereits Patienten mit Gehrobotern behandelt hat.

Einsatz in Reha

Der Einsatz von HAL ist allerdings auf spezielle Patienten beschränkt. "Eine wesentliche Voraussetzung ist, dass die Patienten noch eine Restaktivität in der Muskulatur zurückbehalten haben, was bei einer kompletten Querschnittlähmung nicht der Fall ist", erläutert Nerlich. HAL ist auch kein Exo-Skelett für den Privatgebrauch. Das Einsatzgebiet ist die Rehabilitation mit dem Ziel, die verbliebene Muskulatur so weit zu stärken, dass der Patient einen Teil seiner Selbständigkeit zurückerhält.

Die technische Entwicklung von Exo-Skeletten ist mit HAL aber längst nicht abgeschlossen. Nerlich rechnet damit, dass die Exo-Skelette durch die Miniaturisierung in der Elektrotechnik immer leichter werden und dank leistungsstärkerer Prozessoren eine immer größere Bewegungsvielfalt erlauben werden. "Ich halte es für möglich, dass die Patienten die Exo-Skelette in nicht allzu ferner Zukunft auch im Alltagsleben einsetzen und dann wenigstens teilweise auf den Rollstuhl verzichten können", ist der Chirurg überzeugt. (red, 5.5.2015)