Aus diesem Nervengewebe bilden sich bei der Neurofibromatose Tumore, häufig entlang der großen Nervenstränge.

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So kann Neurofibromatose Typ 1 aussehen: Man erkennt sie an den mindestens sechs großen Café-au-lait-Flecken am Körper. Später bilden sich Tumore unter der Haut.

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Rund 2.500 Österreicher leiden an einer von drei Nervenerkrankungen, die unter dem Begriff der Neurofibromatosen zusammengefasst werden. Jeden Tag kommt im deutschsprachigen Raum ein Kind mit dieser Diagnose zur Welt.

Obwohl sie also gar nicht so selten ist, kennt kaum jemand die Neurofibromatose Typ 1 (NF1, auch bekannt als Morbus Recklinghausen), die seltenere NF2 oder die ihr verwandte Schwannomatose. Um auf die Erkrankung aufmerksam zu machen, haben Patientenorganisationen den Mai als NF-Awareness-Monat festgesetzt.

Vererbt und erworben

Bei allen Formen der Neurofibromatosen sind gutartige Tumore an verschiedenen Nerven das Hauptmerkmal. Bei der NF1 treten die namengebenden Neurofibrome auf, die am häufigsten an den Nervenenden unter und in der Haut entstehen, aber auch an tiefer gelegenen großen Nervensträngen. Charakteristisch für sie (nicht aber für NF2 und Schwannomatose) sind die mindestens sechs sogenannten Café-au-lait- oder Milchkaffee-Flecken am ganzen Körper, die meist schon innerhalb der ersten Lebensmonate sichtbar werden.

Mit einem Bluttest lässt sich mit 90-prozentiger Sicherheit sagen, ob die Erkrankung vorliegt. "Leider sind viele Kinderärzte zu wenig auf die Erkrankung sensibilisiert. Die Hautflecken werden oft als harmlos abgetan, die nötige Abklärung nicht durchgeführt", sagt Claas Röhl, Leiter des Vereins NF-Kinder Austria.

Autosominal dominant vererbt

Etwa die Hälfte der Patienten mit NF1 hat die Krankheit von einem Elternteil geerbt, der ebenfalls erkrankt ist. Die andere Hälfte hat keinen betroffenen Elternteil, hier ist die Erkrankung spontan aufgetreten. Das Risiko, die Erkrankung zu erben, liegt für jedes Kind eines Betroffenen bei 50 Prozent (autosomal dominante Vererbung).

Obwohl meist gutartig (also keine Streuung, klare Abgrenzung von umliegendem Gewebe), können die Neurofibrome je nach Lage im Körper verschiedene Komplikationen wie Funktionsbeeinträchtigungen, chronische Schmerzen, Lähmungserscheinungen und ästhetische Probleme verursachen.

Zudem entwickelt jeder fünfte NF1-Patient im Alter zwischen zwei und acht Jahren Sehnervtumore, die bis zur Blindheit führen können. Jeder zehnte Mensch mit NF1 erkrankt im Lauf seines Lebens an einem bösartigen Nervenscheidentumor, der eine sehr schlechte Prognose hat und häufig tödlich endet. Insbesondere die Pubertät stellt eine Hochrisikozeit dar, in der die Neurofibrome deutlich wachsen können. Als Ursache werden hormonelle Veränderungen im Körper vermutet.

NF2: Andere Symptomatik

NF2 ist eine Erkrankung mit einem völlig anderen Krankheitsbild als NF1 – die typischen Milchkaffeeflecken bleiben aus. Etwa 90 Prozent der Menschen mit NF2 entwickeln Tumore am achten Gehirnnerv, der unter anderem für das Hören verantwortlich ist.

Die ersten Zeichen der Erkrankung treten oft erst im jugendlichen oder jungen Erwachsenenalter auf, etwa motorische Schwierigkeiten, eine Trübung der Augenlinse, schleichender Gehörverlust und Tinnitus. Als Erwachsene sind mehr als die Hälfte der Menschen mit NF2 bereits ertaubt. Auch in anderen Teilen des Nervensystems kommt es zu Tumoren (Schwannomen beziehungsweise Meningeomen).

Viele Folgeschäden

Bei allen Formen der Neurofibromatose besteht ein erhöhtes Risiko für orthopädische Erkrankungen wie schweren Skoliosen (verkrümmte Wirbelsäule) oder Pseudoarthrosen (verzögerte Knochenheilung). Dazu kommen oft motorische, kognitive oder sprachliche Einschränkungen, Aufmerksamkeitsprobleme und Anpassungsstörungen. "Deshalb braucht es unbedingt gezielte Fördermöglichkeiten. Wenn man die Erkrankung nicht erkennt, sondern das Kind als faul oder dumm kategorisiert, nimmt man ihm jede Chance auf ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben", sagt Röhl.

Ob und wann die Folgen eintreten oder sich verschlimmern, lässt sich nicht vorhersagen. Zudem gibt es bis heute keine präventive oder ursächliche Behandlung. Mittels Chemotherapie lässt sich in einigen Fällen ein weiteres Wachstum von problematischen Tumoren stoppen.

Nicht zu vergessen die seelische Belastung: Die Neurofibrome auf und unter der Haut sind für viele ein beträchtliches ästhetisches Problem, das zu sozialer Isolation und psychischen Erkrankungen führen kann. Ein Weglasern hilft bei schweren Fällen oft nur für kurze Zeit, denn die Neurofibrome wachsen rasch wieder nach.

Mehr Forschung

"Etwa zwei Drittel der Menschen mit NF1 brauchen gezielte neuropsychologische Fördermaßnahmen, um ihr Potenzial ausschöpfen zu können", sagt Röhl. Zudem müsse man die Forschung vorantreiben, denn die friste momentan noch ein Schattendasein.

Auch die medizinische Versorgung sei noch nicht in dem Ausmaß gegeben, das sich Betroffene wünschen würden. "Am Wiener AKH gibt es die einzige Neurofibromatose- Spezialambulanz in ganz Österreich. Da die Ambulanz aber derzeit nicht mit den dringend notwendigen personellen Ressourcen ausgestattet ist, muss man sechs bis acht Wochen auf einen Termin warten", sagt Röhl. Denn die Ambulanz empfängt NF-Patienten nur einmal pro Woche.

Nicht zuletzt deshalb will die Initiative NF-Kinder die Krankheit bekannter machen und Spendengelder zur weiteren Erforschung und Entwicklung einer Therapie lukrieren. Röhl hat den Verein vor anderthalb Jahren gegründet, nachdem seine Tochter mit NF1 zur Welt gekommen war. (Florian Bayer, 7.5.2015)