Außenminister Kurz (ÖVP) und Kanzleramtsminister Ostermayer (SPÖ): Die Koalition will ärmere Staaten besser unterstützen, allerdings ringen Rot und Schwarz darum, woher das Geld dafür kommen soll.

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Angesichts des Flüchtlingsdramas im Mittelmeer, das sich tagtäglich vor den Küsten Europas abspielt, tritt der Nationalrat am Montag zu einer Sondersitzung zusammen. Dazu wird Kanzler Werner Faymann (SPÖ) eine Erklärung abgeben, wie die Union nun vorgehen will. In Brüssel wird über eine bessere Aufteilung der Flüchtlinge auf die Mitgliedsstaaten ebenso diskutiert wie über mehr Geld für die Seenothilfe.

Hinter den Kulissen ringen SPÖ und ÖVP aber allein schon darum, ihr beim letzten Ministerrat vorgetragenes Versprechen einzuhalten, um die Not in ärmeren Staaten etwas zu lindern: Da kündigten Faymann und sein Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) an, mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit lockerzumachen, nachdem die Republik im Vorjahr gerade einmal 0,26 Prozent der Wirtschaftsleistung dafür aufgewendet hat. Zum Vergleich: Das 2015 auslaufende Entwicklungsziel der Uno liegt bei 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Penible Aufzählung der ÖVP

Einen konkreten Investitionsplan der Koalition für die Entwicklungshilfe wird der Kanzler dem Parlament allerdings nicht präsentieren können, denn am Wochenende wurde ein Papier der ÖVP publik, das in der Frage auch die von der SPÖ geführten Ministerien zur Kasse bittet. Darin sind penibel die Aufwendungen der ÖVP-geführten Ressorts aufgelistet: Von den derzeit 845 Millionen Euro an EZA-Mitteln steuern das Finanzministerium, das Außen- und das Innenamt sowie das Wissenschaftsressort mehr als 90 Prozent bei, ist da zu lesen.

Auftrag retour an Absender

Auf STANDARD-Anfrage heißt es aus der SPÖ, dass man ein Papier, "das keinen offiziellen Absender hat", nicht kommentieren werde. Nur so viel sei dazu zu sagen: "Als zuständige Ressorts sind nun das Finanz- und das Außenministerium gefragt, Vorschläge zu machen, wie man das Übereinkommen von 0,7 des BIP erreicht." Im Büro von Finanzminister Hans Jörg Schelling lässt man ausrichten: "Das Finanzministerium erfüllt seine Quote, ist sogar drüber. Es sind daher die übrigen Ressorts zunächst einmal am Zug, ihren Beitrag zu leisten."

Weiteres Kuriosum am Rande: Die ÖVP-Aufstellung sieht die 0,7 Prozent des BIP als EZA-Ziel erst bis zum Jahr 2023 vor – sofern freilich auch das (rote) Verteidigungs-, Sozial-, Gesundheits- und Unterrichtsministerium sowie das Kanzleramt etwas aus ihrem Budget beisteuern. Ein SPÖ-Mitarbeiter: "Wir wollen gerade bei diesem Thema nicht den Eindruck einer Streiterei erwecken. Aber es gibt keinen Grund, warum aus diesen Ressorts Geld für die EZA-Hilfe kommen soll."

Grüne Kritik an Kleingeldwechslerei

Der enge Finanzrahmen ist für die Grünen aber keine Ausrede, endlich Taten zu setzen. Ihre Chefin Eva Glawischnig qualifiziert den ÖVP-Plan als "beschämendes parteipolitisches Manöver", als "Kleingeldwechslerei" sowie als "Selbstaufgabe des Außenministers". Sie erwartet sich von Sebastian Kurz (ÖVP), dass er "seinen Job macht", weil er per Gesetz eine Koordinierungsfunktion für die Entwicklungspolitik habe.

Auch Diakonie rügt Kurz

Doch nicht nur von der Oppositionspartei kam am Sonntag Kritik an Kurz, sondern auch von Diakonie-Direktor Michael Chalupka als Gast in der ORF-"Pressestunde". Der Außenminister ermahne zwar gern andere wie das AMS, wenn es zu wenige Deutschkurse für Flüchtlinge gebe, allerdings müsste auch aus seinem Haus mehr kommen, meinte Chalupka. Asylwerber aus Syrien etwa, die Österreich geholt habe ("Dazu gehört dann auch, etwas zu tun"), drohen mangels Betreuung in die Obdachlosigkeit abzudriften.

Besonders schutzwürdige Flüchtlinge würde der Diakonie-Direktor im Rahmen eines Pilotprojekts gern mit "humanitären Visa" ausstatten. Dazu beruhigte er aber gleich: dass dem Staat dabei keine Kosten entstünden, wenn man in Absprache mit dem UNHCR 200 Menschen aus Gefahrenregionen lotse. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 4.5.2015)