Willkommen bei der fünften Ausgabe von "Serienreif". Diesmal versuchen wir etwas Neues: Es geht nicht um eine einzelne Serie, sondern darum, was wir serienmäßig nicht so mögen, aber trotzdem schauen – Hasslieben also. Oder auch: Warum die Liebe zu manchen Serien hin und wieder erlischt. Einfach und eindeutig ist das mit der Liebe und dem Hass bekanntermaßen ja nicht, aber lesen Sie selbst.

Michaela Kampl: Ganz ehrlich, so richtige Hasslieben hab ich nicht. Was ich aber schon kenne, sind Serien, die ich zuerst geliebt habe, die mir aber von Staffel zu Staffel egaler wurden. Wie zum Beispiel "Dexter". In der ersten Staffel hab ich die einzelnen Folgen gefressen. Alles war neu, alles war spannend. Der Killer als der Gute, der Gute als das Böse. Das hat sich dann aber bald eingespielt oder abgeflacht. Was Dexter so macht, war bekannt, was seine Widersprüche sind auch. Bis zum bitteren Ende hab ich trotzdem geschaut, einfach weil ich wissen wollte, wie es endet – genauer gesagt, wie es für Dexter selbst endet. Es war also die Geschichte eines Charakters, der mich als hauchdünner Faden gerade noch genug interessiert hat, um durchzuhalten. Ähnlich geht es mir übrigens mit "Homeland". Obwohl der Faden derzeit zu reißen droht.

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Claire Danes schaut als Agentin Carrie Mathison in "Homeland" immer ein wenig skeptisch, immer ein wenig grenzwertig.
Foto: Showtime, Kent Smith/AP/dapd

Doris Priesching: Also "Homeland" hasse ich inzwischen auch ein bisschen, das ist aber wahrscheinlich enttäuschte Liebe, weil die erste Staffel so wahnsinnig gut war. Bei "Dexter" bin ich schon früher abgesprungen, nicht aus Hass, sondern weil mir die Art von Unterhaltung eine Spur zu heavy ist.

Julia Meyer: Bei "Dexter" hab ich durchgehalten bis zur vorletzten Folge. Da nie Liebe da war, bin ich um den Hass herumgekommen. Aber die letzte Folge war es mir dann nicht wert. Ähnlich bei "True Blood", da allerdings war es Liebe, und es folgte die Enttäuschung, sodass ich auch hier nicht weiß, wie das Serienfinale ausgeht.

Daniela Rom: Hasslieben tu ich auch nicht wirklich. Was ich furchtbar finde, finde ich furchtbar, oder was mir nicht taugt, taugt mir nicht, und dann schaue ich es auch nicht an. Aber bei "Dexter" und bei "True Blood" bin ich bei euch dabei. Das deppertste Ende, das ich seit langem gesehen hab, war sicher "True Blood": Happy-peppy, alle schwanger, alle verheiratet, alles gut. Die ersten beiden Staffeln waren so super, so aufregend, so neu, und dann war es nur noch nervig. Immer mehr völlig absurde Wendungen, die keinen Sinn ergeben, und auch hat’s mich nicht mehr interessiert, wer stirbt, wer mit wem was tut – war mir einfach wurscht. Aber durchgedruckt – nämlich wirklich mit so ein bisschen Qual dahinter – hab ich es dann doch bis zum Ende. Ergebnis: große Enttäuschung.

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Stephen Moyer als Bill der Vampir schaute in "True Blood" auch hin und wieder skeptisch bis grenzwertig. Aber für einen Vampir ist das ganz okay.
Foto: AP Photo/HBO, John P. Johnson

Julia Meyer: Also, wir sind uns einig, dass uns beim Thema Hass zuallererst die enttäuschten Lieben einfallen! Hass, richtig tief empfundende Abneigung hege ich allerdings "Grey’s Anatomy" gegenüber. Von Anfang an. Diese Machbarkeit und "Alles-geht-Einstellung", grauenvoll. Die Schicksalswendungen der Protagonisten gleichen ihren Dialogen: schwachsinnig. Aber, ich bin immer up to date. Vielleicht macht mich mein Hass abhängig.

Doris Priesching: Hasslieben gibt es bei mir einige, sie stammen mehrheitlich aus der Zeit, als Fernsehen noch FS1 und FS2 hieß. Kürzlich wurde bekannt, dass Netflix neue Folgen von "Full House" dreht. Erinnert ihr euch? Drei männliche "Erziehungsberechtigte", die sich mit vier madigsüßen Kindern herumschlagen. Sie waren spießig und pseudoalbern, am meisten hasste ich Joey, der sollte der lustigste von den dreien sein. Genauso schlimm war aber auch Jesse, der Schönling mit Vokuhila. Es gab kein Entkommen. Die Serie lief von 1987 bis 1995, es gab 192 Folgen. Und ich hab sie alle gesehen. Also sehen müssen. Auf FS2 war "Wir" mit Monika Lindner. Hat das etwas mit der Zeit zu tun, dass sie das jetzt wieder machen?

Gute Nachricht oder schlechte Nachricht – es ist eine Frage der Perspektive: "Full House" kommt als "Fuller House" auf Netflix zurück.
ABC News

Michaela Kampl: Netflix weiß ja sehr genau, was wir gern sehen. Jeder, der einen Zugang hat, gibt seine Serien- und Filmvorlieben an den Streamingdienst preis. "House of Cards" ist auch gedreht worden, nachdem Netflix gemerkt hat, dass das britische Original, Filme von Regisseur David Fincher und Kevin Spacey in Hauptrollen von Massen geliebt und gestreamt werden. Erfolg wird also planbar. Ich nehme an, dass Netflix bei der Wiederauflage von "Full House" sehr genau weiß, warum sie das machen.

Daniela Rom: Ich glaube, es ist der simple Versuch, das ganze noch mal zu vergolden. "Full House" war ja ein Megaerfolg in den USA, oder? Und so Familien-Schmafu geht immer gut. Ich sag nur "Eine himmlische Familie", der bigotteste, widerlich-schmalzig-kitschige Schmarren, der jemals im TV lief. Das war zum Beispiel sowas, das hab ich mir angeschaut, mich immer so ein bisschen geekelt, aber irgendwie war's dann doch zum Anschauen gut genug.

Julia Meyer: Och, "Full House" war so schlecht nicht! Es war spießig und pseudowitzig. Aber die Frisuren waren ein Knaller. Weitaus schlimmer, aber ich glaube, da bin in keiner sonderlich originellen Position, war "Seventh Heaven". Das war so dermaßen ärgerlich, dass man dabeibleiben musste. Vor allem, wenn über Sex und Drogen geredet wurde. Das war ein schöne Lektion à la: Gut aufpassen, damit man in keiner Sekunde des Lebens ähnlich agiert. Ich habe allerdings noch nie jemanden getroffen, der oder die die Serie mochte. Ein solches Exemplar möge sich bei mir bitte melden!

Michaela Kampl: Vielleicht liegt die Abwesenheit von Hasslieben bei mir ja daran, dass die Möglichkeiten, Serien zu sehen, so umfassend geworden sind. "Full House" war ja eine der Serien, die in den 1990er-Jahren am Nachmittag im ORF liefen und die ich zwar nicht besonders gemocht hab, aber es war mir trotzdem lieber als Aufgaben zu machen. Das Fernsehprogramm im ORF-Nachmittag ist übrigens immer noch dasselbe wie vor 25 Jahren – also "Scrubs", "Simpsons", "Gilmore Girls" oder "Die Nanny". Aber das alles muss ich mir nimmer anschauen, um mir die Zeit zu vertreiben. Obwohl, "Die Nanny", das mag ich irgendwie ein bisschen.

"She was working in a bridal shop in Flushing Queens, 'til her boyfriend kicked her out in one of those crushing sceenes ... "
historia reiss

Daniela Rom: Ha, "Die Nanny". Das hab ich so richtig nicht gemocht, aber doch angeschaut – weil es sonst nix gab. Diese nervige Alte mit ihren abgedrehten Kleidern, der nervige Alte mit seinem britischen Neurosen-Schuss, und dann noch das Pärchen aus Butler und der Assistentin. Über die Kinder möcht' ich gar nicht reden, da wird mir gleich ganz anders. Aber da fehlt halt auch die Liebe zur Hassliebe.

Julia Meyer: Das Argument à la "Wir hatten ja nix anderes" ist tatsächlich überzeugend. "Gilmore Girls" fand ich auch immer ganz schlimm. Jeden Tag nach der Schule nämlich. Diese fürchterliche Mutter, die nur Quatsch erzählt, und diese nicht minder fürchterliche Tochter, die zwei hatten einander verdient. Und dann noch immer diese popkulturellen Querverwiese, brrrr. Ich war sehr auf der Seite der fiesen Großeltern. Aber es gehörte zur täglichen Routine, ich hatte wenig anderes (fernsehtechnisch): Hab jede einzelne Folge gesehen.

Daniela Rom: Ich finde "Gilmore Girls" großartig. Und wenn ich groß bin, will ich sein wie Lorelai. Und so schöne Haare hätt' ich auch gern. Und Luke nehm' ich auch. Das mit dem Schnellreden hätte ich schon drauf. Aber Rory war nervig, da geb' ich dir recht. Mir hätte die ganze Serie auch nur um die Mutter gehen können.

Julia Meyer: Ja, dann viel Spaß beim Großwerden! Da würd' ich doch lieber wie die Nanny werden.

Doris Priesching: Also "Die Nanny" mochte ich! Kann ich sogar heute noch sehen. Fran Fine, wie sie die fade Theater-Familie rebellisch macht, dazu ein feiner, jüdischer Schmäh – ich sag nur: Tante Jedda! –, also dagegen hab ich nichts. "Eine himmlische Familie" hingegen fand ich tatsächlich beängstigend. Es gibt aber auch abseits des Familienhorrors schön-schiaches: Sicher ganz böse war "Mord ist ihr Hobby" mit Jessica Fletcher, einer tödlich langweilige Detektivin, aber irgendwie schaltete ich immer ein. Und wurde nie enttäuscht, weil ich nichts erwartete.

Daniela Rom: Hahaha, Jessica Fletcher! Das ist das schönste, wenn man sehr müde ist in der Früh und sehr viel Zeit hat und eigentlich eh lieber schlafen will: Es läuft immer nach Schema F ab, und Jessica ist sehr gescheit und alle anderen sehr blöd. Ich mag das irgendwie. Sinnloser kleiner Funfact nebenher: Irgendwer hat mal ausgerechnet, das Cabbot Cove, der fiktive Ort in New England, in dem "Murder she wrote" spielt, der tödlichste Ort in den USA ist. Also so im Vergleich zwischen Einwohner und Ermordeten.

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Angela Lansbury schaute als Jessica Fletscher immer schlau und klug – und die Bösen hatten immer das Nachsehen.
Foto: Photo by Casey Curry/Invision/AP

Michaela Kampl: Ich frag mich, was die Parallelen oder eben die Unterschiede zwischen den Hasslieben der Vergangenheit und heute sind. Früher hab ich eindeutig mehr gesehen, das mir nicht oder zumindest nur so mittelprächtig gefallen hat. Aber wirklich nur, weil's nix anderes gab?

Daniela Rom: Irgendwie ist es schon so, dass ich nicht mehr darauf angewiesen bin, was gerade läuft zu schauen, und ich mich dann zwischen einer Talkshow, einer Gerichtsshow und irgendeiner ZDF-Serie entscheiden muss. Wenn ich was schauen will, geh ich online, streame oder habe die DVDs daheim. Berieselungsmüll läuft bei mir nur mehr ganz selten.

Doris Priesching: Stimmt, die Zeit nimmt man sich gar nicht mehr. Wegzappen geht schneller als früher. Ausschalten übrigens auch, vielleicht ein Altersphänomen.

Michaela Kampl: Was mir aber fehlt, ist das gemeinsame Aufregen über das Grauen. Derzeit ist das Angebot an guten Serien so riesig, dass sich jede findet, was ihr gefällt. Und das ist natürlich nicht immer dasselbe. Hätten wir damals nicht alle "Full House" schauen müssen, könnten wir heute nicht drüber reden. (Michaela Kampl, Julia Meyer, Doris Priesching, Daniela Rom, 7.5.2015)

Und jetzt diskutieren Sie: Was schauen Sie, obwohl Sie es eigentlich hassen? Und vor allem: wieso?