Caritas-Präsident Michael Landau sprach sich bei einer Veranstaltung des AMS Wien angesichts der Rekordarbeitslosigkeit (fast zehn Prozent) gegen eine geplante Kürzung der Mittel für das AMS aus. Dem kann man zustimmen, wenn diese Mittel verwendet werden, um schwere Ausbildungsdefizite - wie z. B. mangelnde Deutschkenntnisse - zu beheben.

Am Wiener Arbeitsmarkt müsse man einfach gewisse Qualifikationen mitbringen, und deswegen sei ein Sonderpaket für ein "Schwerpunktprogramm Qualifizierung" von rund 50 Mio. für Deutschlernen und Lehrabschlussnachholen notwendig, sagte die Landesgeschäftsführerin des AMS Wien, Petra Draxl, bei der Veranstaltung. Dieses Programm richte sich an arbeitslose Erwachsene (!).

Unternehmer klagen

Die Realität ist, dass es für Geringqualifizierte keine ausreichende Arbeit mehr gibt. Laut der Arbeitsmarktexpertin des Wifo, Julia Bock-Schappelwein, ist seit den 90er-Jahren der Beschäftigtenanteil der reinen Pflichtschulabsolventen auf die Hälfte gesunken; gleichzeitig verdoppelte sich der Beschäftigtenanteil der Hochqualifizierten. Auch einfachere Tätigkeiten erfordern höhere Fähigkeiten: "Früher musste ein Lagerarbeiter vor allem kräftig sein, heute bekommt er den Job ohne Computerkenntnisse wahrscheinlich nicht."

Unternehmer, vor allem im Gastronomiebereich und in der Hotellerie, beklagen sich regelmäßig über die Qualität der Lehrlinge: Sie könnten nicht lesen, schreiben und rechnen - und nicht grüßen.

In einer Dienstleistungsgesellschaft ist soziale Kompetenz (Übersetzung: grüßen können) unerlässlich. Dass die AMS-Geschäftsführerin mindestens 20 Millionen für Deutschkurse fordert, ist ein Alarmsignal.

Alibi-Forderung

Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Wiens Bürgermeister Michael Häupl forderten im Vorfeld des 1. Mai eine Maschinensteuer - die Lohnsteuer als Basis der staatlichen Einnahmen bricht immer mehr weg, weil die Automatisierung und Computerisierung voranschreitet. Solange das nicht zumindest im europäischen Maßstab eingeführt wird, kann man das wegen des Wettbewerbsnachteils vergessen. Es klingt auch verdammt nach Alibi-Forderung, weil die Sozialdemokratie mit den Veränderungen der Arbeitswelt eher schwer zurande kommt. Natürlich nicht nur sie, aber das Thema Arbeit ist oder war eben die Domäne der europäischen Linken.

Jüngere Leute, die Mehrzahl Staatsbürger oder dauerhaft Ansässige, denen die Grundfertigkeiten wie die deutsche Sprache und soziale Kompetenz fehlen (rund 20 Prozent der 15-Jährigen in Österreich können nicht richtig lesen und schreiben), sind eine Katastrophe. An dieser Stelle ertönt meist der Ruf nach der Schule. Aber das ist auch nur ein Abschieben des Problems. Rund 50 Prozent der Volksschüler in Wien haben eine nichtdeutsche Muttersprache - die daraus resultierenden Probleme können die Lehrer im "normalen" Schulbetrieb schlicht nicht bewältigen.

Dieser Staat, der - wertfrei gesprochen - für die Vergangenheit (explodierende Pensionszuschüsse) und für umstrittene Projekte so viel ausgibt, muss für die Zukunft mehr Geld ausgeben. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 2.5.2015)