Der Seuchen-Mythos hat im Katastrophenfall mitunter erhebliche Auswirkungen auf den Umgang mit den Toten - etwa durch überhastete Massenbestattungen.

Foto: Österreichisches Rotes Kreuz

Wien/Kathmandu – Wasser, Nahrungsmittel und Notunterkünfte: Das sind die Hilfsgüter, die jetzt im Erdbebengebiet von Nepal am dringendsten benötigt werden, betonen Helfer des Roten Kreuzes.

"Zusätzlich zu sauberem Wasser ist es wichtig, dass Sanitäranlagen in den Camps errichtet werden und dass zerstörte Sanitäranlagen wieder hergestellt werden", sagt Georg Ecker, Trinkwasserexperte der Hilfsorganisation. "Auslöser für Seuchen sind nämlich verschmutztes Trinkwasser und schlechte hygienische Bedingungen", so der Ecker weiter.

Mythos verhindert Abschied von Verstorbenen

Entgegen vieler Berichte geht von Verstorbenen keine Seuchengefahr aus: "Bei Naturkatastrophen sterben die meisten Menschen an Verletzungen, sie tragen keine Infektionskrankheit in sich. Nur wenn ein Toter schon vor seinem Tod mit einer Krankheit infiziert war, könnte sie weiterübertragen werden. Die primäre Seuchengefahr geht von den Überlebenden aus. Deshalb sind Wasser und Sanitärversorgung die wichtigsten Maßnahmen zur Seuchenvermeidung", erklärt der ehemalige Leiter der Gesundheitsabteilung des Internationalen Roten Kreuzes, Stefan Seebacher. "Ganz anders stellt sich die Situation bei der Ebola-Epidemie dar. In diesem Fall sind Verstorbene höchst infektiös", ergänzt der Experte.

Der Seuchen-Mythos hat im Katastrophenfall oft erhebliche Auswirkungen auf den Umgang mit Toten: "Weil die Menschen Angst vor einer Krankheitsübertragung haben, führen sie überhastete Massenbestattungen durch", sagt Seebacher. "Problematisch wird das immer dann, wenn die Toten nicht identifiziert werden und die Angehörigen keine Möglichkeit haben, sich entsprechend der jeweiligen kulturellen Gepflogenheiten vom Verstorbenen zu verabschieden." (red, 30.4.2015)