Am Mittwoch wurde im Architekturzentrum Wien zum zehnten Mal "Das beste Haus" gekürt. Zum Jubiläum zeigt sich: Immer gefragter sind intelligente Ansätze in den Bereichen Ökologie, Sanierung und urbaner Nachverdichtung

Es gibt in Österreich rund 1,97 Millionen Wohnhäuser (Statistik Austria, Stand 2011). Rund 1,7 Millionen davon sind sogenannte "Wohngebäude mit einer Wohnung". Der Marktanteil der viel gescholtenen, weil mit Flächen- und Erschließungsressourcen nicht sonderlich sparsam umgehenden Einfamilienhäuser beträgt demnach mehr als 85 Prozent.

"Es ist ein bösartiges Konstrukt, das da unsere Landschaft verschandelt", sagte Dietmar Steiner, Direktor des Architekturzentrum Wien (AZW), im Rahmen einer Pressekonferenz diese Woche. "Und dennoch ist das Einfamilienhaus aus anthropologisch-sozialer Sicht aus Österreich nicht wegzudenken."

Bild: Ramphouse von WILLL Architektur ZT GmbH

Sieger Niederösterreich

Foto: Studio Kerschbaum

Allein, selbst vor diesem apokalyptischen, die Zersiedelung und Versiegelung vorantreibenden Hintergrund gibt es unter den vielen Häusern, die zumeist von Baumeistern und Fertighausproduzenten stammen, einige wundersam einprägsame Exempel, die von einer "besonderen Sensibilisierung für den Bereich Baukultur" (Steiner) zeugen, und die daher biennal ausgezeichnet werden. Der 2005 von der s Bausparkasse in Kooperation mit dem Bundeskanzleramt und dem AZW ins Leben gerufene Preis feiert heuer sein zehnjähriges Bestehen. Am Mittwoch wurden die neun, mit je 6000 Euro pro Bundesland dotierten Preise an Architekten und Bauherrschaft vergeben.

Bild: Ramphouse von WILLL Architektur ZT GmbH

Sieger Niederösterreich

Foto: Studio Kerschbaum

Auf den ersten Blick unspektakulär, bei genauerer Betrachtung jedoch überaus aufschlussreich in puncto Ressourcenschonung ist das Salzburger Siegerprojekt von LP architektur. Der von Thomas Lechner geplante dreigeschoßige Turm wurde von oben bis unten in Massivholz errichtet. Dank dem Einsatz von 28 Zentimeter dickem Brettsperrholz aus Fichte und Lärche, das im Innen- und Außenbereich "auf Sicht", also unverkleidet verbaut wurde, konnte im gesamten Holz auf zusätzliche Wärmedämmung verzichtet werden.

Bild: Haus Maier von LP Architektur ZT GmbH

Sieger Salzburg

Foto: Volker Wortmeyer

"Tausend Jahre lang war es selbstverständlich, so zu bauen, dass das Holz bereits selbst als Wärmedämmung dient und man keinen Sondermüll an die Fassade picken muss", sagt Harald Maier. Der selbstständige Laptop-Taschen-Produzent ist der glückliche Bewohner des Bauwerks. "Ich wollte dieses ganze Plastik nicht, ich wollte in einem authentischen Haus leben, das die Tradition des Holzbaus respektiert und sich nicht darüber lustig macht."

Bild: Haus Maier von LP Architektur ZT GmbH

Sieger Salzburg

Foto: Volker Wortmeyer

Auch in Wien-Liesing wurde ein in jeder, vor allem von der Straße aus betrachteten Hinsicht außergewöhnliches Projekt gekürt. Das Wohnhaus cj_5 von Caramel Architekten ist nämlich 25 Meter lang, aber nur fünf Meter breit. "Ich muss gestehen, dass ich mir bis zuletzt nicht vorstellen konnte, wie man in so einem schmalen Haus leben kann", sagt der Bauherr, der in der IT-Branche tätig ist. "Aber tatsächlich gibt es nichts, was mir fehlt. Die Architekten haben beste Arbeit geleistet, und das Wohngefühl ist so, als würde ich das ganze Jahr über auf einer langen und schmalen Yacht mit eigenem Garten leben."

Bild: Haus cj_5 von caramel architekten (Martin Haller)

Sieger Wien

Foto: Hertha Hurnaus

Jedes Eck des 104 Quadratmeter großen Hauses ist genutzt, die Innenbreite von nur 4,40 Meter wurde geschickt inszeniert: Über den Stufen ragt – gleich einem Disk-Jockey-Pult – der schwebende Küchenblock hoch, von dem aus der 36-jährige Hobbykoch und leidenschaftliche Gastgeber das Wohngeschehen überblicken kann. Das Projekt cj_5 ist ein attraktiver und ressourcentechnisch intelligenter Beitrag zur städtischen Nachverdichtung. Möge es viele Auftraggeber inspirieren.

Bild: Haus cj_5 von caramel architekten (Martin Haller)

Sieger Wien

Foto: Hertha Hurnaus

Die weiteren Preisträger: Beim Haus Hohlen in Vorarlberg wurde ein Bestandsgebäude aus den Sechzigerjahren von einer neuen Hülle umschlossen und auf diese Weise vergrößert.

Bild: Haus Hohlen von Jochen Specht

Sieger Vorarlberg

Foto: Adolf Bereuter Fotografie

Der Altbau ist im Innenraum massiv und weiß sichtbar. Die neue Gebäudehülle aus Holz sorgt für niedrigen Energieverbrauch und zusätzlichen Raum.

Bild: Haus Hohlen von Jochen Specht

Sieger Vorarlberg

Foto: Adolf Bereuter Fotografie

Beim Steiermark-Sieger, dem Haus HM, einer kleinen Villa eines älteren Ehepaars, setzte Architektin Marion Wicher auf große Glasflächen und ein "Haus-in-Haus"-Konzept.

Bild: Haus HM von yes-architecture (Marion Wicher)

Sieger Steiermark

Foto: Architekturfotografie Croce & Wir

Das Haus ist als eingeschoßige Betonstruktur realisiert, Wand und Decke als tragende Struktur ohne Querlastverbinder sorgen für einen offenen und freien Raum.

Bild: Haus HM von yes-architecture (Marion Wicher)

Sieger Steiermark

Foto: Foto: Architekturfotografie Croce & Wir

In Kärnten wurde das Siegerprojekt, ein über 200 Jahre altes Haus, das von den Großeltern des Bauherren stammt, von diesem zum Atelier umgebaut.

Bild: Haus und Atelier in Zell/Sele von Architekt Ferdinand Certov

Sieger Kärnten

Foto: Certov Architects

Das wie die alten Bauernhäuser in Massivbauweise kombiniert mit Holzteilen errichtete Gebäude wird mit Erdwärme versorgt und ist großteils eingegraben.

Bild: Haus und Atelier in Zell/Sele von Architekt Ferdinand Certov

Sieger Kärnten

Foto: Certov Architects

Das oberösterreichische Siegerprojekt wurde von den Architekten in eine enge Baulücke auf schwieriger Hanglage gesetzt. Man entschied sich für ein eingeschoßiges Holzriegelhaus auf Stahlstelzen.

Bild: Haus Sonnberger von Hammerschmid, Pachl, Seebacher Architekten

Sieger Oberösterreich

Foto: Dietmar Hammerschmid

Wohn- und Schlafräume orientieren sich um eine Terrasse. Die Stahlstützen sind auf den Holzbauraster ausgerichtet, durch die schräge Anordnung wird dieser Raster aufgelöst, ein unregelmäßiges Erscheinungsbild entsteht.

Bild: Haus Sonnberger von Hammerschmid, Pachl, Seebacher Architekten

Sieger Oberösterreich

Foto: Dietmar Hammerschmid

Beim burgenländischen Sieger, einem Nachverdichtungsprojekt in Weiden am See, wurde ein vom Verfall bedrohtes Bauernhaus durch ein Ferienhaus ersetzt. Das Haus Markt 67 ist in Materialwahl und Kubatur an die Nachbarhäuser angeglichen, nur das Dach ist um einige Grad sanfter geneigt, damit die thermische Solaranlage maximalen Ertrag einbringt.

Bild: Haus Markt 67 von Architektin Claudia Cavallar

Sieger Burgenland

Foto: Klaus Fritsch

Der loftartige, durch Niveausprünge gegliederte Innenraum erinnert mit seiner geneigten Decke an einen Stadel mit Heuboden.

Bild: Haus Markt 67 von Architektin Claudia Cavallar

Sieger Burgenland

Foto: Klaus Fritsch

Beim Tiroler Siegerprojekt schließlich, dem "Haus Walde" in Kitzbühel, wurde ein denkmalgeschütztes Bestandsobjekt um einen Neubau erweitert.

Bild: Haus Walde von Gogl Architekten

Sieger Tirol

Foto: W9Studios/Webhofer

Im Erdgeschoß sind die Decken in Sichtbeton ausgeführt, die großflächige Verglasung Richtung Süden schafft vielfältige Ausblicke auf die Kitzbühler Alpen. (woj/red, derStandard.at, 30.4.2015)

Bild: Haus Walde von Gogl Architekten

Sieger Tirol

Hinweis

Die Ausstellung "Das beste Haus" läuft im Architekturzentrum Wien noch bis 26. Mai.

Links

azw.at

dasbestehaus.at

Foto: W9Studios/Webhofer