Riad/Wien – Drei Monate nach dem Tod von König Abdullah bin Abdulaziz von Saudi-Arabien wird auch noch dessen wichtigste Personalentscheidung umgestoßen: Prinz Muqrins kurze Kronprinzenkarriere ist zu Ende, auf den Posten rückt sein bisheriger Vize-Kronprinz, Innenminister Mohammed bin Nayef, auf. Dessen Vize-Kronprinz wird wiederum Mohammed bin Salman, Sohn von König Salman, Verteidigungsminister und als solcher mit seinen dreißig Jahren quasi Kriegsherr im Jemen.
König Abdullah hatte seinen Halbbruder Muqrin als Übergangskönig gesehen: der letzte Sohn von Staatsgründer Abdulaziz Ibn Saud, der den Thron besteigen sollte, bevor die Enkelgeneration an die Reihe kommt. Die regionalen Herausforderungen – der "Islamische Staat" (IS) ante portas und das saudische Engagement im Jemen, das gegen den iranischen Einfluss in der Region gerichtet ist – verlangen nach Meinung der Einflussreichen im Königshaus jedoch nach einer starken Aufstellung, nach schnellen Entscheidungsträgern, die Konfrontationen nicht scheuen: Und das sind Mohammed bin Nayef (55) und Mohammed bin Salman (30) auf alle Fälle eher als Muqrin (69), der ohnehin nie als Fixstarter fürs Königsamt gegolten hat. Es ist keine Zeit mehr für einen sanften Übergang.
An der Spitze wichtiger Kommissionen
Niemand schreibt die derzeit zu beobachtende große Entscheidungsfreudigkeit im konservativen Königreich allein König Salman, der große gesundheitliche Probleme hat, zu. MbN und MbS, wie die beiden Mohammeds auch genannt werden, sind die neuen starken Männer. Neben ihren Ministerämtern übernahmen sie bereits Ende Jänner zwei neu gegründete Kommissionen für Sicherheit und Wirtschaft: die wichtigsten Themen im Königreich.
Mohammed bin Salman war bisher auch Chef des königlichen Hofs seines Vaters, diesen Posten gibt er nun, da das Amt des Vize-Kronprinzen dazukommt, allerdings auf. Die beiden Mohammeds haben nicht nur einen gemeinsamen Großvater, sondern auch eine gemeinsame Großmutter: Ihre Väter, der verstorbene Kronprinz Nayef und König Salman, sind beide Söhne von Abdulaziz Ibn Saud mit Hassa al-Sudairi. Der Sudairi-Clan wurde immer als der stärkste in der Familie eingeschätzt, das hat sich bewahrheitet.
Von der Bildfläche verschwunden
Überraschend kommt die Ablöse Muqrins also nicht wirklich. Seit dem Tod Abdullahs, der ihn erst Ende März 2014 zum Vize-Kronprinzen Salmans gemacht hatte, war er kaum in Erscheinung getreten. Dennoch ist die Umstellung der Thronfolge eine kontroverse Angelegenheit: Denn König Abdullah hatte damals die Ernennung Muqrins als gemeinsame Entscheidung seiner selbst und seines Kronprinzen Salman hingestellt – und das Ernennungsdekret mit dem Beisatz versehen, dass es unumstößlich sei. Offiziell hat Muqrin nun jedoch selbst um seine Entlassung ersucht. Was gar nicht einmal so unwahrscheinlich scheint: Er war als ein Mann ohne starken familiären Rückhalt auf verlorenem Posten.
Bei Muqrins Aufstieg zum Vizekronprinzen gab es 2014 Gerüchte über eine Palastintrige: Muqrin sollte eventuell sogar Salman ausbooten und dem Sohn Abdullahs, Miteb, den Thron sichern. König Abdullah hievte tatsächlich gegen Ende seines Lebens seine Söhne in wichtige Positionen – und es fiel auf, dass König Salman sofort nach Abdullahs Tod daranging, die Situation umzudrehen. Miteb bin Abdullah behielt allerdings auch bei der aktuellen Regierungsumbildung sein Amt als Chef und Minister der königlichen Garden. Aber aus der Thronfolge ist der Abdullah-Sohn erst einmal draußen.
Nach fast vierzig Jahren nicht mehr Außenminister
Unter den weiteren Neubesetzungen mehrerer Ministerämter erregt die Entlassung von Außenminister Saud al-Faisal, der im Oktober sein 40-jähriges Amtsjubiläum gefeiert hätte, am meisten Aufsehen. Hier gab es allerdings seit Wochen Gerüchte über seine Amtsmüdigkeit. Der seit Jahren schwer an Parkinson Leidende wurde anlässlich seines Abgangs nun mit mehreren Ehrenämtern bedacht, was signalisieren soll, dass er nicht etwa in Ungnade gefallen sei. Sein Nachfolger wird der bisherige saudi-arabische Botschafter in Washington: Adel al-Jubair. Er ist der erste Außenminister, der nicht der Königsfamilie angehört. Das könnte aber auch eine Übergangslösung sein.
Jubairs Ernennung hat aber zweifellos auch den wichtigen Aspekt eines Signals an Washington: Die saudi-arabische Außenpolitik wird, auch wenn sie selbstständiger und energischer auftritt, weiter den engen Kontakt zu Washington suchen und pflegen. Auch Kronprinz und Innenminister Mohammed bin Nayef ist in den USA bestens vernetzt und galt gar als Wunschkandidat der Amerikaner für die saudische Thronfolge. Ihn haben sie demnach bekommen. Die Politik, die sie sich von Saudi-Arabien wünschen – etwa eine Akzeptanz der US-Versuche, den Iran in eine regionale Ordnung einzubinden – eher nicht. (Gudrun Harrer, derStandard.at, 30.4.2015)