Eine Industriellentochter kommt durch die Liebe zu einer Krankenschwester über die eigene Leere hinweg: Amira Casar (re.) und Nicole Gerdon in Peter Kerns "Der letzte Sommer der Reichen".

Foto: Stadtkino

Wien - Peter Kern ist ein Solitär im österreichischen Kino, der sein Herz auf der Zunge trägt. Eine Position, die zwar Freiheiten erlaubt, zugleich aber Grenzen mit sich bringt, zuallererst budgetärer Art. Für seinen jüngsten Film Der letzte Sommer der Reichen hatte der Autor, Schauspieler und Regisseur, der schon mit Rainer Werner Fassbinder und Werner Schroeter zusammengearbeitet hat, endlich ein wenig mehr Geld zur Verfügung, was man dem grellen Melodram auch gleich ansehen kann.

Das Produktionsdesign, das vom farblich schön ausgeleuchteten Wiener Nachtleben bis zum feudalen Schloss der Industriellenfamilie von Szezewitz reicht, deren Verfall Kern genüsslich ausbreitet, ist opulenter als sonst. Auch die Manöver der geschmeidigen Kamera von Peter Roehsler haben den Atem eines großen Gesellschaftspanoramas.

Tatsächlich greift Kern ins Herz einer selbstzufriedenen Adabeiszene und drückt kräftig zu. Hanna von Szezewitz, die skandalöse Heldin des Films, die er mit der kraftvollen Schauspielerin Amira Casar besetzt hat, verkörpert die Zweischneidigkeit der Dekadenz: Ihr Reichtum lässt die Geschäftsfrau moralische Schranken mit leichter Hand ignorieren, dem eigenen Leidensdruck entkommt sie damit aber nicht.

Kern liebt die Lyrik der Überspitzung, eine Poesie, die aus Verpöntem, Verdorbenem, Anstößigem Kraft bezieht. Das lässt seine Filme mitunter ein wenig wie aus der Zeit gefallen wirken.

Bedingungslose Treue zu seinen Figuren zeichnet aber auch Der letzte Sommer der Reichen aus. Einer aufs Materielle und Triviale fixierten Welt setzt Kern die Liebe einer Geschäftsfrau zu einer Krankenschwester entgegen, die ihren Zynismus überwindet. Auch wenn es ausweglos ist: Jeder Untergang braucht seine Utopie. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 30.4./1.5.2015)