"Sieben Mal am Tag"

Edwin Vieweger (49), Tramfahrer

Foto: Christian Fischer

"Sieben Mal am Tag fahre ich um den Ring. Für die 5,3 Kilometer brauche ich 25 Minuten. Drei Jahre arbeite ich schon als Straßenbahnfahrer, seit sechs Monaten auch in der Vienna-Ring-Tram. Die fährt als einzige noch um den ganzen Ring. Es ist nicht langweilig, ständig im Kreis zu fahren. Man sieht sehr viel: Riesenrad, Urania, Stadtpark, Oper, Rathaus und Parlament, Universität und Rossauer Kaserne. Ich habe auch einen Geheimtipp: Links vom Hotel Imperial hat man einen sehr schönen Blick auf die Karlskirche. Die meisten Gebäude sind Erben der Kaiserzeit. Einmal haben mich amerikanische Fahrgäste gefragt, ob man das Kaiserehepaar öfter auf der Straße sehe. Denen ist entgangen, dass die Ringstraße 150 Jahre alt ist. Ursprünglich war sie als Boulevardstraße für die Reichen geplant, heute trifft man alle Arten von Menschen. Auch in der Straßenbahn: Hier gibt es keinen Unterschied zwischen Nation, Religion und Gesellschaftsschicht. Der Ring hat mich inspiriert: Vorher habe ich mich nicht wirklich für Gebäude und Geschichte interessiert. Jetzt kann ich sie mir jeden Tag ansehen. In erster Linie muss ich mich aber auf den Verkehr konzentrieren und die Fahrgäste im Auge behalten. Teilweise fahren mit mir bis zu 200 Personen. Da trägt man schon eine Verantwortung – Sicherheit geht vor Pünktlichkeit.

"Lorbeer ist schwer"

Michaela Pummer (24), Gärtnerin

Foto: Christian Fischer

"Den Pflanzen ist es egal, welcher Wochentag ist. Darum ist täglich ein Gärtner im Burggarten. Normalerweise beginne ich um sieben Uhr morgens: Rasen mähen, Unkraut jäten, gießen und Beete pflegen. Wir sind auch für das Schmetterlingshaus zuständig und füttern die Schmetterlinge mit Blüten oder Obst. Diese Vielfalt macht meine Arbeit spannend. Ich bin immer in Bewegung und im Freien – das muss man mögen. Denn die Arbeit ist körperlich anstrengend, wenn man zum Beispiel Töpfe tragen muss. Der Lorbeer ist schwer. Daran gewöhnt man sich, wie an die Erde unter den Fingernägeln. Seit sieben Jahren arbeite ich im Burggarten, habe hier meine Lehre absolviert. Die schönste Zeit ist am Morgen im Sommer. Da ist nichts los. Obwohl ich es mag, wenn Leute hier sind. Leider lassen sie oft Müll in der Wiese liegen oder klettern auf Bäume. Das muss nicht sein, da die Bäume sehr alt sind. Gefährlich ist es auch. Viele schauen mir bei der Arbeit zu und wollen wissen, was ich tue. Oft fragen mich Touristen nach dem Weg. Aber das ist nicht der einzige Bezug, den ich zum Ring habe. Wir haben eine Binderei, wo wir Gestecke für Parlament, Hofburg, Staatsbesuche oder Universität machen. Ich arbeite also auch an anderen Ringabschnitten. Und ab und zu gieße ich Blumen im Finanzministerium. Das sieht auch nicht jeder."

"Sperre um 22 Uhr"

Michael Tober (40), Uni-Portier

Foto: Christian Fischer

"Vier Rektoren der Uni Wien habe ich bereits miterlebt. Ich arbeite seit 20 Jahren als Portier des Hauptgebäudes. Ich sperre um sechs auf und um 22 Uhr zu. In der Früh sind kaum Studierende da, erst ab acht. Am Abend ist mehr los, viele lernen bis zum Schluss in der Bibliothek. Zum Glück habe ich nie jemanden eingesperrt – obwohl das Gebäude ein Irrgarten ist. Da braucht man, bis man sich auskennt. Es ist quasi meine Hauptaufgabe, Studierenden den Weg zu einem Hörsaal zu beschreiben. Als die Adresse der Universität 2012 geändert wurde, waren ein paar Lieferanten verwirrt. Denn der Dr.-Karl-Lueger-Ring hieß dann Universitätsring. Vom Ring bekomme ich nicht viel mit – außer wenn Demonstrationen sind. Es kommen auch Touristen und Leute von außerhalb. Oft sind auch Obdachlose in den Hörsälen, die sind meist harmlos. Kürzlich hatten wir aber einen, der im Audimax zum Zündeln angefangen hat. Da hole ich den Sicherheitsdienst. Vor ein paar Jahren hatten wir Fledermäuse im Dachboden. Irgendwie sind die ausgebrochen und waren überall im Haus. Es hat gedauert, bis wir sie wieder los waren. Den Großteil der Zeit plaudern wir aber mit Professoren oder sammeln Fundgegenstände. Studierende lassen viel liegen: Handys, USB-Sticks, Brillen und sogar Rollerskates."

"Ich starte um sechs"

Andreas Saltiel (26), Straßenkehrer

Foto: Christian Fischer

"Ich verbringe meinen Arbeitstag großteils am Ring. Ich starte um sechs, die Mistkübel zu leeren und die Straße zu reinigen. Zeitungen und Zigaretten schmeißen Leute auf den Boden. Wobei es immer weniger Zigaretten werden, seit die Mistkübel Aschenbecher haben. Trotzdem muss ich meinen ,240er' oft auswechseln. Am Tag fülle ich circa zehn bis 15 dieser schwarzen Mülltonnen, die 240 Liter fassen. Ich beseitige auch Unkraut, im Winter muss ich Schnee schaufeln und repariere Mistkübel. Meine Strecke besteht fast nur aus Fußgängerzonen: vom Ring über die Kärntner Straße und den Graben bis zum Schwedenplatz. Da sieht man auch viele berühmte Leute: Niki Lauda, Karl-Heinz Grasser und Jeannine Schiller habe ich schon oft gesehen. Auch bei Veranstaltungen wie der Regenbogenparade ist was los. Danach müssen wir die Ringstraße säubern. Das dauert drei bis vier Stunden und ist harte Arbeit. In meinen ersten Wochen als Straßenkehrer hatte ich jeden Tag Muskelkater, weil ich nicht wusste, wie man das Werkzeug richtig hält. Mittlerweile ist die Arbeit Routine. Seit fünf Jahren bin ich bei der MA 48. Das hat Auswirkungen: Ich schmeiße keinen Müll mehr auf den Boden. Und ich bin stolz drauf, wie sauber Wien ist. Vor allem, wenn man die Straßen um sechs Uhr in der Früh kennt."

Alle Protokolle: Selina Thaler (derStandard.at, 4.5.2015)