Abuja – Die nigerianische Armee hat nach eigenen Angaben 200 Mädchen und 93 Frauen aus der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Boko Haram befreit. Die vor mehr als einem Jahr entführten Schülerinnen aus dem Ort Chibok seien aber nicht darunter, teilte Armeesprecher Oberst Sani Usman am Dienstagabend mit.

Wie nigerianische Medien online berichteten, wurde bestätigt, dass sich die Geiseln in verschiedenen Lagern der Extremisten im dichten Sambisa-Wald befunden hätten. Die Streitkräfte hätten drei Lager zerstört. "Wir müssen erst noch genau feststellen, woher die befreiten Personen stammen", sagte Armeesprecher Chris Olukolade. Die Mädchen und Frauen würden nun befragt, um ihre Identität festzustellen.

Mädchen zwangsverheiratet

Die Entführung von mindestens 276 Schülerinnen aus dem nordostnigerianischen Ort Chibok hatte im April vergangenen Jahres für weltweites Entsetzen gesorgt. Dutzende von ihnen konnten später fliehen, 219 aber blieben in der Gewalt der Islamisten. Boko-Haram-Führer Abubakar Shekau erklärte später, sie alle seien zum Islam konvertiert und verheiratet worden.

Ein letztes Lebenszeichen hatte es im Mai gegeben, als die Mädchen in einem Video der Gruppe auftauchten. In den Wochen nach der Entführung hatten Sicherheitskräfte und Einwohner des Bundesstaats Borno gesagt, es gebe Anzeichen, dass die Mädchen in den Sambisa-Wald gebracht wurden. Experten bezweifelten aber, dass die Mädchen seit ihrer Entführung in einer Gruppe zusammen gefangen gehalten wurden.

Zögerliche Reaktion

Es gab auch international Aktionen über soziale Netzwerke, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen. Auch viele Prominente, darunter US-First-Lady Michelle Obama, beteiligten sich daran. Die Mädchen waren mitten in der Nacht aus ihren Schlafsälen verschleppt und in Lastwagen fortgebracht worden. Seither fehlt von ihnen jede Spur.

Die zögerliche Reaktion der Regierung von Präsident Goodluck Jonathan hatte bei den Angehörigen der Mädchen, aber auch bei Bürgerrechtlern in Nigeria und der Welt für scharfe Kritik gesorgt. Nigerias neu gewählter Präsident Muhammadu Buhari hatte kürzlich zum ersten Jahrestag der Entführung verstärkte Bemühungen versprochen, um die Mädchen zu finden. Allerdings hatte er zugleich eingeräumt, dass sie womöglich nie gefunden werden.

Boko Haram hat seit Beginn vergangenen Jahres laut Amnesty International im Norden Nigerias mindestens 2.000 Frauen und Mädchen entführt. Die Organisation entführt die Mädchen, um sie zum Übertritt zum Islam zu zwingen, zwangsweise zu verheiraten oder als Sklavinnen der Kämpfer zu halten. Die Gruppe will im Norden des bevölkerungsreichsten Landes Afrikas einen Gottesstaat aufbauen.

In den vergangen Jahren kamen bei Anschlägen der Gruppe tausende Menschen ums Leben. Seit Monaten unterstützen Truppen aus Nachbarländern wie Kamerun und Tschad die nigerianischen Streitkräfte im Kampf gegen die Fundamentalisten.

Nigerias Armee verkündet seit Beginn der Offensive mit Soldaten des Tschad, Kameruns und Nigers vor einigen Monaten immer wieder Erfolge. Der nigrische Innenminister Hassoumi Massaoudou teilte am Dienstag allerdings mit, dass bei einem Angriff der Gruppe auf einen Stützpunkt der nigrischen Armee am Tschad-See am Samstag 46 Soldaten und 28 Zivilisten getötet worden seien. 32 Soldaten würden noch vermisst.

Laut Massaoudou wurden bei den Gefechten um das Dorf Karamga 156 Aufständische getötet. Das Dorf selbst sei verwüstet worden, sagte der Innenminister nach einem Besuch vor Ort. Es waren die schwersten Verluste für den Niger seit dem Eintritt in den Kampf gegen Boko Haram im Februar. Der Niger hatte ebenso wie der Tschad, Kamerun und Benin Soldaten entsandt, nachdem die Extremistengruppe ihre Aktivitäten zunehmend auf die Nachbarländer ausgedehnt hatte. (APA, 28.4.2015)