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Unter Einfluss von Oxytocin waren die Sympathiebewertungen für körperlich dominante, muskulöse Männer höher: Bei dieser Gruppe wurden der muskulöse und der schmächtige Mann annähernd gleich sympathisch bewertet.

Foto: APA/dpa/Oliver Berg

Wie attraktiv oder vertrauensvoll wir jemanden finden, hängt von vielen Faktoren ab. "Auch die körperliche Erscheinung eines Menschen beeinflusst, wie ihn andere wahrnehmen, da körperliche Kraft und Größe aus evolutionärer Sicht Hinweise auf Dominanz und Bedrohung darstellen", sagt der deutsche Sozialpsychologe Thomas Mussweiler.

Gemeinsam mit dem Biopsychologen und Neurowissenschaftler Markus Heinrichs hat Mussweiler untersucht, ob Männer Fotos von muskulösen Gleichaltrigen weniger sympathisch bewerten als die von schmächtigen Altersgenossen. Sie wollten außerdem wissen, ob die Bewertung eines anderen Mannes durch das Hormon Oxytocin beeinflusst wird, denn Oxytocin ist für das soziale Verhalten (wie Blickkontakt, Vertrauen, Berührungen) relevant.

Muskelmann vs. "Schwächling"

Die Wissenschaftler luden für ihr Experiment 100 männliche Studenten Anfang 20 ins Labor ein. Jedem Probanden wurde per Nasenspray eine Substanz verabreicht, die bei der einen Hälfte der Probanden das Hormon Oxytocin enthielt und bei den restlichen 50 Probanden ein Placebo. Welcher Proband welche Substanz bekam, erfolgte nach dem Zufallsprinzip und verdeckt für alle Beteiligten - also sowohl für den Leiter des Experiments als auch für die Studienteilnehmer.

Danach betrachteten die Studenten das Foto eines Mannes am Computer. Dieses Foto lag in zwei Varianten vor. Gesicht und Gesichtsausdruck des Mannes waren auf beiden Bildern gleich, aber der Körper war digital manipuliert. Die eine Hälfte der Probanden betrachtete das Foto eines gleichaltrigen muskulösen Mannes. Der andere Gruppe wurde das Bild eines schmächtigen Altersgenossen vorgespielt.

Die Forscher kreuzten die beiden Versuchsbedingungen, so dass jeweils die Hälfte der Oxytocin- und der Placebo-Gruppe das Bild des muskulösen Mannes betrachtete, während der andere Hälfte beider Gruppen das Bild des schmächtigen Mannes gezeigt wurde.

Muskeln wirken unsympathisch

Die anschließende Aufgabe der Studenten war es, sich vorzustellen, mit dem Mann in Kontakt zu treten und diese Situation niederzuschreiben. Danach sollten sie den Mann auf dem Foto beurteilen: Wie alt und wie stark er ist, wie ähnlich er ihnen selbst und ihrem Freundeskreis ist, und wie sympathisch sie ihn finden. Die Wissenschaftler verglichen die Bewertungen der beiden Bildervarianten durch die Oxytocin- und die Placebo-Gruppe. Die Ergebnisse zeigen, dass der muskulöse Mann insgesamt weniger sympathisch beurteilt wurde als der schmächtige Mann.

Oxytocin verändert die Sympathiebewertungen

Unter Einfluss von Oxytocin waren hingegen die Sympathiebewertungen für körperlich dominante, muskulöse Männer höher: Bei dieser Gruppe wurden der muskulöse und der schmächtige Mann annähernd gleich sympathisch bewertet. Die Studenten der Placebo-Gruppe fanden im Gegensatz dazu den muskulösen Altersgenossen deutlich weniger sympathisch als den schmächtigen. Es zeigte sich auch, dass der muskulöse Mann von beiden Gruppen als der eigenen Person und dem eigenen Freundeskreis weniger ähnlich eingeschätzt wurde.

Oxytocin scheint also die Sympathie gegenüber dem muskulösen Mann verbessert zu haben, ohne ihn aber ähnlicher erscheinen zu lassen: "Wir gehen davon aus, dass Oxytocin eine wichtige Rolle bei der sozialen Annäherung spielt", fasst Markus Heinrichs die Ergebnisse zusammen. "Das Hormon stellt damit eine wichtige Voraussetzung für die Erweiterung und Sicherung sozialer Netzwerke dar", ergänzt der Neurowissenschaftler.

Therapie von sozialen Störungen

Heinrichs erforscht derzeit, inwieweit das Hormon Oxytocin in Kombination mit Psychotherapie eingesetzt werden könnte. Insbesondere psychische Störungen mit schweren zwischenmenschlichen Problemen, wie zum Beispiel Autismus oder die Borderline-Persönlichkeitsstörung, könnten seiner Ansicht nach profitieren.

"Seit einigen Jahren lässt sich nicht mehr bestreiten, dass das Hormon Oxytocin eine zentrale Rolle für unser Sozialverhalten spielt", sagt Heinrichs. "Die nächsten Jahre werden dadurch geprägt sein, das klinische Potential des 'Bindungshormons' für sogenannte 'soziale Störungen' zu ermitteln und Psychotherapie da wirksamer zu machen, wo die Entwicklung schon zu lange stagniert oder wie beim Autismus weitgehend ausbleibt", so das Resümee des Forschers. (red, derStandard.at, 28.4.2015)