Im Rattenexperiment war die neue Methode erfolgreich: "Sechs Monate nach dem Einsetzen der Gefäßprothesen wurden die Blutgefäße der Ratten untersucht. Es waren weder Aneurysmen noch Thrombosen oder Entzündungen festzustellen", sagt Helga Bergmeister von der MedUni Wien.

Foto: Helga Bergmeister, MedUni Wien

Wien - Verschlossene Blutgefäße können rasch gefährlich werden. Nicht selten ist es notwendig, ein Blutgefäß zu ersetzen - entweder durch ein körpereigenes Blutgefäß oder durch künstlich hergestellte Gefäßprothesen. Die TU Wien und die MedUni Wien entwickelten nun künstliche Blutgefäße aus einem speziellen Elastomer-Material, das ausgezeichnete mechanische Eigenschaften hat. Denn diese künstlichen Blutgefäße werden im Laufe der Zeit durch körpereigenes Material ersetzt. Am Ende dieses Umbauprozesses ist wieder ein natürliches, vollständig funktionsfähiges Blutgefäß entstanden.

Zu den häufigsten Todesursachen in hochentwickelten Industrienationen gehören sogenannte arteriosklerotische Gefäßerkrankungen. Eine Bypass-Operation ist oft die einzige Lösung. Üblicherweise werden dafür gesunde Blutgefäße des Patienten entnommen und statt des geschädigten Blutgefäßes eingesetzt.

Möglicherweise werden aber in Zukunft auch künstlich hergestellte Gefäße vermehrt zum Einsatz kommen. Entscheidend dabei ist, ein passendes Material zu finden. Die künstlichen Materialien, die man bisher verwendete, vertragen sich nicht optimal mit dem körpereigenen Gewebe. So kann es leicht zu einem Verschluss des Blutgefäßes kommen, besonders wenn der Durchmesser gering ist.

Ein dünner Polymer-Faden, zur Röhre gesponnen

An der TU Wien wurden daher neue Polymere entwickelt: "Es handelt sich um sogenannte thermoplastische Polyurethane. Durch die Auswahl ganz bestimmter molekularer Bausteine gelang es uns, ein Polymer mit den gewünschten Eigenschaften zu synthetisieren", erklärt Robert Liska vom Institut für angewandte Synthesechemie.

Zur Herstellung der Gefäßprothesen werden Polymerlösungen in einem elektrischen Feld zu sehr feinen Fäden gesponnen und auf eine Spule aufgewickelt. "Die Wand dieser künstlichen Blutgefäße ist natürlichen Blutgefäßen sehr ähnlich", sagt Heinz Schima von der MedUni Wien. Das Polymer-Gewebe ist leicht porös, daher sickert zunächst etwas Blut hindurch und reichert die Wand mit Wachstumsfaktoren an. Das begünstigt wiederum das Einwandern körpereigener Zellen.

Erfolgreiche Tests bei Ratten

Die Interaktion zwischen Material und Blut wurde an der TU Wien von Martina Marchetti-Deschmann mit Hilfe von ortsaufgelöster Massenspektrometrie untersucht. Im Rattenexperiment war die neue Methode erfolgreich: "Sechs Monate nach dem Einsetzen der Gefäßprothesen wurden die Blutgefäße der Ratten untersucht. Es waren weder Aneurysmen noch Thrombosen oder Entzündungen festzustellen. Körpereigene Zellen hatten die Gefäßprothese besiedelt und das künstliche Konstrukt zu körpereigenem Gewebe umgewandelt", erläutert Helga Bergmeister von der MedUni Wien.

Das Nachwachsen körpereigenen Gewebes verlief schneller als erwartet, daher soll nun die Abbaudauer der Kunststoffröhren noch verringert werden. Deshalb wird derzeit noch an weiteren Anpassungen des Materials gearbeitet. Bis die künstlichen Blutgefäße bei Menschen eingesetzt werden können, sind noch weitere präklinische Versuche notwendig. Aufgrund der bisherigen Ergebnisse ist das Forscherteam zuversichtlich, dass sich die neue Methode in einigen Jahren auch beim Einsatz im Menschen bewähren wird. (red, derStandard.at, 28.4.2015)