Wien - "Das Brot als Kulturgut verkommt", sagt Johannes Glaser. An jeder Ecke würden Weckerln aufgebacken, der Kampf im Lebensmittelhandel werde über Backwaren ausgetragen. "Für Bäcker bleibt da nicht viel übrig." Glaser sieht seinen Betrieb als letzten großen der Zunft in Wien, der die Handarbeit hochhält: Mit Schrammel Brot beliefere er rund 200 Supermärkte.
Bisher. Seit kurzem ist er jedoch bei Ketten wie Spar nicht mehr im Sortiment. Die Inzersdorfer Produktion steht still. Lieferanten lieferten nicht mehr, das Gas sei abgedreht, Mitarbeiter würden nicht bezahlt, erzählen Betroffene und etliche Marktkenner unisono. Ihnen zufolge hätte der Betrieb Auflagen des Marktamts nicht länger erfüllen können, notwendige Investitionen seien ausgeblieben.
Auszeit bis Ende August
Glaser beschreibt die Lage anders. "Wir nehmen uns eine Auszeit." Schrammel könne sich das dank seiner "großen Fangemeinde und starken Marke" leisten. So seien Produkte der Bäckerei "lautlos" aus den Regalen genommen worden. Pausiert werde bis Ende August. Reorganisiert und umgebaut verspricht Glaser dann die Rückkehr mit 40 Mitarbeitern.
Schrammel war bis in die 80er-Jahre eine Wiener Institution und galt als Vorzeigebetrieb. Nach dem Tod des Firmengründers ging es bergab. Seine Witwe gab noch bis ins Alter von 90 Jahren den Schritt vor, auch indem sie Kaufangebote ablehnte. Glaser kaufte die Bäckerei vor fünf Jahren aus der Insolvenz. Da eigene Filialen fehlen, ist er auf Lebensmittelhändler angewiesen. Und diese backen seit langem ihre eigenen Brötchen.
Backshops als Konkurrenz
Allein die Diskonter Hofer, Lidl, Penny stampften in Österreich in den vergangenen Jahren tausend Backshops aus dem Boden, die gewaltiges Volumen bewegen. Große Teiglingshersteller lassen sich fast an einer Hand abzählen: Haubenberger, Fischerbrot, Pan & Co, Kuchenpeter und Robert Guschlbauer sind darunter. Guschlbauer baut für Rewe in Waizenkirchen neu - Fischer für Hofer in Markgrafneusiedl aus. Interspar führt selbst acht Backbetriebe, ein neuer ist in Kottingbrunn geplant. Parallel dazu wird regional gekauft.
Für traditionelle Mittelständler bleibt kein Platz. Vor allem wenn sie auf Allerwelts-Fertigmischungen bauen und den Weg in individuelle Nischen verpassten. Nicht selten finden Bäcker ihre eigenen Semmeln zu Preisen in den Supermärkten vor, die niedriger sind als ihre Preise für den Handel. Die Pleitewelle reißt daher nicht ab.
Dass Schrammel, wie sich Branchenkenner einig sind, nun ebenso aufgibt, weist Glaser zurück. Er will künftig, wie er sagt, stark auf den Absatz via Internet vertrauen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 28.4.2015)