Es herrscht Krieg im Vestibül des Wiener Burgtheaters. Fünf Rangen spielen in einem Betonverschlag das älteste Rollenspiel der Welt: Vater-Mutter-Kind-Hund. 17 Jahre alt ist Biljana Srbljanovics Kinderdrama Familiengeschichten. Belgrad. Das Stück scheint wie gemacht für die Junge Burg: Erwachsene Schauspieler - oder solche an der Schwelle zum Erwachsensein - mimen Kinder, die sich in ihre Eltern hineinversetzen. "Papa" (Frederik Rauscher) zum Beispiel kann sich kolossal über die versalzene Suppe aufregen. Sein aufgeweckter "Sohn" (Moritz Winklmayr) bekommt bei jeder Gelegenheit eine Abreibung verpasst. "Mama" (Marlene Del Bello) zieht den Kopf ein, frönt dem Pragmatismus und kann im Übrigen froh sein, von ihrem Alten nicht denunziert zu werden. Annette Raffalts Inszenierung kommt recht unvermittelt zur Sache. Die Familie wird als Brutstätte von Gewalt ausgeforscht. Wer irgendwelche Zweifel an der Kriegslüsternheit der Weltgesellschaft gehegt hat, bekommt hier, in Dominique Wiesbauers (Bühne) Abbruchstätte, ordentlich Bescheid gesagt. Weniger zwingend scheinen einige Abschweifungen. Auch ohne Hilde-Domin-Gedicht wüsste man die Unbehaustheit des Menschen einzuschätzen. Das Ereignis einer zwiespältigen Aufführung ist Lara Feith. Als Kriegstraumatisierte wird sie zum Familienhund erkoren. Nadezda ringt stumm um ihre Würde, am Schluss lernt sie, sich zu artikulieren. Ein Mensch, der unzählige Tode überlebt. (poh, DER STANDARD, 28.4.2015)